Zeitgenössische Komponisten in Bayern

Werke von Harald Genzmer, Wilfried Hiller, Roland Leistner-Mayer, Peter Jona Korn und Robert M. Helmschrott

Verlag/Label: Ambitus amb 96916 (2008)
erschienen in: organ 2009/03 , Seite 59

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Auf Zeitgenössischen Komponisten in Bayern liegt der Fokus dieser CD-Neuveröffentlichung, aber eigentlich ist er noch viel enger zent­riert. Alle auf ihr vertretenen Komponisten sind in ihrem Wirken aufs Engste mit der Landeshauptstadt München verbunden: Harald Genz­mer, Peter Jona Korn und Robert M. Helmschrott als Mitglieder oder Leiter von Münchner Musikhochschule oder Richard-Strauss-Konservatorium, dazu der bei Genz-mer und Bialas ausgebildete Roland Leist­ner-Meyer und schließlich noch der neben seiner Tätigkeit als freier Komponist eng mit dem Bayerischen Rundfunk verbundene Wilfried Hiller.
Erst bei genauerer Durchsicht der Liste aller eingespielten Kompositionen fällt auf, dass man es auch mit einer Orgel-CD zu tun hat: Das Instrument erklingt sowohl solistisch als auch in begleitender oder konzertierender Funktion zusammen mit Singstimmen und weiteren Instrumenten. Zugeschnitten ist die Werkauswahl auf Franz Lörch als Interpreten. Für ihn, der seit 1992 in der bayrischen Landeshauptstadt eine Reihe von „Internationalen Or­gelkonzerten“ veranstaltet und damit versucht, innerhalb des reichhaltigen Spektrums des Münchner Konzertlebens auch ein wenig Aufmerksamkeit auf die Orgelmusik zu lenken, sind die meisten der hier eingespielten Werke geschrieben worden.
Der inhaltliche Bogen spannt sich von der Form-Tradition – vertreten durch Roland Leistner-Mayers Cho­ral-Fantasie „O Jesus Christ, meines Lebens Licht“ – bis zu Musik, die auf aktuelle Ereignisse reagiert: Harald Genzmers ein Jahrhundert verabschiedendes Finale 1999 „Hi­n­unter ist der Sonnenschein“ kann man dazurechnen, vor allem aber Wilfried Hillers Tarot XVI „Turm der Zerstörung“, das – halb aufgewühlte Toccata, halb Lamento – auf die New Yorker Ereignisse vom Sep­tember 2001 reagiert. Neben Aus­komponiertes tritt die Möglichkeit zur freieren interpretatorischen Gestaltung in Peter Jona Korns nostalgisch in die Vergangenheit zurückblickender Meditation. Der Tenor Kevin Connors ist Solist in Genzmers Lilie der Auen und seiner ebenfalls bis auf toccatische Zwischenspiele klanglich sparsam gefassten Kantate nach Bibeltexten. Den krönenden Beschluss bildet die Nr. 3 aus dem zwölf Werke umfassenden Zyklus von Sonate da chiesa Robert M. Helmschrotts für zwei Trompeten und Orgel mit ihrem abschließenden „Jubilus“.
Befremdlich ist, dass das der CD beigegebene Booklet zwar jeweils kurze Komponisten- und Werkporträts bietet und die Aufnahmedaten der einzelnen Tracks nennt, sich aber völlig über den Aufnahmeort ausschweigt (von Dispositionen gar nicht zu reden), als wäre(n) die verwendete(n) Orgel(n) völlig unwesentlich. Das ist selbst aus der Perspektive nicht primär am Instrument Orgel interessierter Hörer ein Manko.

Gerhard Dietel