Heikki Klemetti
Works for Organ
Jan Lehtola an der Orgel der Kathedrale von Tampere, Finnland
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Heikki Klemetti (1876–1953) ist hierzulande so gut wie unbekannt. In seiner Heimat war er, glaubt man dem ausgezeichneten, vom Organisten Jan Lehtola verfassten Booklettext, eine der zentralen Figuren der finnischen Musikgeschichte: ein Universalgelehrter, tätig nicht nur als Komponist, Organist, Chorleiter, Pädagoge und Musikwissenschaftler, sondern auch ein Sammler von Volksliedern sowie Autor und Herausgeber von Musikzeitschriften. Laut Booklet schuf Klemetti in der Chormusik sein dauerhaftes Vermächtnis, und sei „kaum übertrieben zu sagen, dass er im Alleingang die finnische Chorkultur auf internationales Niveau brachte“. Umso mehr erstaunt es, dass es sich bei diesem Album um das (meines Wissens) erste handelt, auf dem ausschließlich (Orgel-)Werke von Klemetti zu hören sind.
Heikki Klemettis Bezüge zur
außerfinnischen Orgelszene seien hier kurz skizziert: Er unternahm mehrere Studienreisen nach Mitteleuropa und studierte 1903/04 bzw. 1905/06 Orgel bei Otto Dienel und Bernhard Irrgang am Stern’schen Konservatorium in Berlin. Ferner studierte er Orgelbau an der dortigen Kirchenmusikakademie und erwarb sowohl die Qualifikation eines Orgelinspektors als auch einen Abschluss als Organist. Klemettis Orgel-Œuvre war selbst in Finnland kaum bekannt und wurde erst 2022 mit Hilfe der Heikki-Klemetti-Gesellschaft vollständig ediert. Von den 73 überlieferten Werken tragen nur die ersten zehn eine Opuszahl. Das Album präsentiert diese Werke mit und elf weitere ohne Opuszahl. Die Stücke tragen zumeist traditionelle Bezeichnungen wie Prelude, Toccata, Cantilena oder Elegia.
Hat sich der Editionsaufwand gelohnt? Wurde hier ein echter Schatz gehoben? Die „klare“ Antwort lautet: Jein! Denn so verdienstvoll dieses Klemetti-Projekt im Ganzen ist, echte Preziosen sucht man auf diesem Album vergeblich – was nicht heißt, dass es sich hier um zweitklassige oder Amateur-Musik handelt. Jan Lehtola hat den Charakter von Klemettis Orgelmusik (in einer Mail an den Autor) treffend auf den Punkt gebracht: „Die nie virtuos konzipierten Werke stellen an den Organisten keine allzu großen technischen Anforderungen. Insgesamt unterscheidet sich der Eindruck, den Klemetti als Komponist für Orgel hinterlässt, nicht von dem Eindruck, den wir von ihm als Komponist im Allgemeinen haben. Die meisten Werke ähneln Improvisationen und scheinen als Gedächtnisstütze für die Aufführung notiert worden zu sein. Manchmal fehlt es ihnen an Struktur und Feinschliff, und sie bewegen sich in einer harmonischen Grauzone, ohne Farbtupfer, die die gleichförmige modale Landschaft aufhellen.“
Wer gut gemachte romantische Orgelmusik liebt und keine Angst vor „Grauzonen“ hat, kommt hier trotzdem (oder gerade deshalb) auf seine Kosten. Dies ist vor allem Jan Lehtola zu verdanken, der an der
– für diese Werke bestens geeigneten – Orgel der Kathedrale in Tampere genau die richtigen Register zieht, um sie in warmes „Dämmerlicht“ zu tauchen, mit dem die vielen schönen Details der Musik weder unterbelichtet noch zu grell ausgeleuchtet werden.
Burkhard Schäfer