Werke von Antonio Vivaldi, Johann Jacob Froberger, Michel Lambert, Henry Purcell, Georg Friedrich Händel, Maria Tanase, Johann Sebastian Bach und Georg Muffat
With more than A Hundred Pipes
Music for Pan Flute and Organ
Hanspeter Oggier, Panflöte; Sarah Brunner an der Orgel der Ringackerkapelle Leuk, Valais, Schweiz
Bewertung: 4 von 5 Pfeifen
Wer die Panflöte bislang eher belächelt und für ein niedliches und vielleicht nicht ganz ernst zu nehmendes Instrument gehalten hat, wird von Hanspeter Oggier auf eindrucksvolle Weise eines Besseren belehrt. Spätestens nach dem letzten Ton seiner CD-Neuproduktion wird man sie ganz und gar liebgewonnen haben. Denn so meisterhaft, wie Oggier sie präsentiert, wird sie nirgends ihre betörende Wirkung verfehlen. Schon als Kind sei er – so ist in Oggiers Vita nachzulesen – von der rumänischen Panflöten-Legende Gheorghe Zamfir verzaubert worden. Später ließ Oggier sich beim ebenfalls rumänischen Lehrer Simion Stanciu in Genf ausbilden.
Oggier ist ein unglaublicher Virtuose, dem ganz offenbar keinerlei Grenzen gesetzt sind im Umgang mit seinem Instrument. In atemberaubendem, geradezu elektrisierendem Furioso fliegt er durch die endlosen Tongirlanden in Antonio Vivaldis C-Dur-Konzert (RV 443) und Bachs e-Moll-Sonate (BWV 1034). Im Gegensatz dazu die langsamen Sätze dieser Werke: Sie verströmen einen unnachahmlichen Charme, geprägt von dem ganz besonderen, farbigen Timbre der Panflöte mit ihrem etwas „rauchigen“, sehr obertonreichen und bemerkenswert biegsamen Klang. Die Musik wirkt in jedem Moment lebendig, atmet große agogische Freiheit, profitiert von der Möglichkeit nahtloser Glissandi, wie sie auf „herkömmlichen“ Flöten kaum zu realisieren sind. Kurzum: Das musikalische Geschehen gerät in eine durch und durch natürlich wirkende Schwingung, es wird zu einem Gesang ohne Worte. Paradebeispiel dafür ist Händels berühmtes „Lascia ch’io pianga“, der Klagegesang der Almira aus der Oper Rinaldo. Was Hanspeter Oggier hieraus macht, ist schlichtweg herzergreifend. Von nicht minder suggestiver Kraft sind die traditionellen Melodien, die Oggier hier dokumentiert und die in jenes Land führen, in dem die Panflöte seit Generationen fest in der volkstümlichen Kultur verankert ist: nach Rumänien. Da geht es mal bodenständig rustikal und tänzerisch zu, mal melancholisch und mit deutlich orientalischem Einschlag.
Entscheidenden Anteil an dieser rundum gelungenen Scheibe hat die Organistin Sarah Brunner – eine perfekte Begleiterin, die den Puls der Panflöte perfekt aufnimmt und sich überdies (mit Froberger und Muffat) auch solistisch an der kleinen, aber äußerst feinen Orgel der Ringackerkapelle in Leuk hören lässt. Über das um 1722 entstandene, Matthäus Carlen zugeschriebene Instrument mit acht Manual- und drei Pedalregistern gibt das Booklet leider keinerlei Auskunft. Das facettenreiche Kolorit der Orgel, die unter anderem über eine schöne, tieferschwebende enge Prinzipalstimme verfügt, entfaltet Sarah Brunner auf ausgezeichnete Weise.
Christoph Schulte im Walde