Werke von Felix Weingartner, A. F. Kropfreiter, J. G. Rheinberger und Peter Cornelius

Wallfahrt nach Kevelaer

René Perler, Bassbariton; Romano Giefer an der Seifert-Orgel der Marienbasilika Kevelaer

Verlag/Label: Aeolus, AE10123 (2020)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2021/03 , Seite 61

Bewertung: 4 von 5 Orgelpfeifen

„Wir haben versucht, etwas vom ‚genius loci‘, der besonderen Stimmung in Kevelaer und dem warmen Klang der Marienbasilika einzufangen und zu einer musikalischen inneren Wallfahrt einzuladen. Gute Reise!“, heißt es auf dem Back-Cover der CD. Man muss nicht zwingend katholisch sein – auch wenn es sicherlich zum Verständnis der hier zu hörenden Werke beiträgt –, um dieser „musikalischen inneren Wallfahrt“ nach Kevelaer mit großem Genuss zu folgen, zumal Werkauswahl und -anordnung sowie die durchweg warmen und spürbar beseelten Les­arten der Kompositionen für Bassbariton und Orgel durchweg überzeugen. Gleichzeitig handelt es sich bei der Aufnahme auch um eine „Reise“ ins Herz der Hochromantik, selbst wenn die Drei geistlichen Gesänge (1963) von Augustinus Franz Kropfreiter (1936–2003), die hier notabene als Weltersteinspielung erklingen, und das titelgebende Stück Die Wallfahrt nach Kevelaer op. 12 von Felix Weingartner (1863–1942) in seiner stark revidierten und damit letztgültigen Fassung von 1926 (Erstfassung 1887) im engeren Sinne nicht mehr dieser Epoche zuzurechnen sind.
Trotz starker „Konkurrenz“ ist Weingartners Wallfahrt nach Kevelaer nach der gleichnamigen Ballade von Heinrich Heine das faszinierendste Werk der vorliegenden CD – und das, obwohl (oder gerade weil) es hier in einer „Einrichtung für tiefe Stimme und sinfonische Orgel“ (Booklet) von Organist Romano Giefer zu hören ist. Tatsächlich behandelt Giefer die – quasi wie dafür geschaffene – größte deutsch-romantische Orgel der Welt so souverän sinfonisch, dass man ob der Klänge und Farbvaleurs, die er diesem faszinierenden Instrument zu entlocken versteht, einfach nur „andächtig“ staunen kann. Die tiefe Stimme von Bassbariton René Perler, der seinen Part in allen vier Kompositionen hervorragend singt, und die sinfonische Orgel der Firma Ernst Seifert, erbaut 1905 bis 1907, sind dabei optimal aufeinander „justiert“. Die grandiose Akus­tik der Marienbasilika, die von der Tontechnik des Labels Aeolus gewohnt erstklassig eingefangen wird, tut ein Übriges, damit sich der Hörer bestens ausgerüstet auf die im Motto genannte „innere Wallfahrt“ begeben kann.
Und so gut die übrigen Werke auch sind – neben Weingartner und Kropfreiter erklingen auf dem Album noch Josef Gabriel Rheinbergers Vier elegische Gesänge, op. 128, und Peter Cornelius’ Vater unser – Neun geistliche Lieder, op. 2 –, in puncto Orgelbehandlung, Regis­trie­rung und pure Klangmagie (das Wort ist angebracht!) reichen sie an Giefers kongeniale Bearbeitung der Wallfahrt (die von Weingartner übrigens ursprünglich für Bariton und Orchester geschrieben wurde) nicht wirklich heran.
Fazit: Wer ein Faible für die kammermusikalische Kombination von Orgel und Gesang hat, kann auf dieser schönen, thematisch, interpretatorisch und akustisch vorbildlich konzipierten CD nicht nur vier wichtige Werke (darunter eine Welt­ersteinspielung) für dieses Genre kennenlernen, sondern sich tatsächlich auch von der sakralen Aura der Musik berühren lassen.

Burkhard Schäfer