Naji Hakim (*1955)

Villancico aragonés für Orgel

Verlag/Label: Schott Music, ED 23116
erschienen in: organ – Journal für die Orgel 2019/04 , Seite 56
„Villancico“ bezeichnet heute zwar im Spanischen vornehmlich ein Weihnachtslied, der Ursprung des Begriffs geht jedoch auf mittelalterliche weltliche Tanzlieder zurück, die vom Volk (den „villanos“) gesungen wurde. Auf diese Art muss dies hier verstanden werden, wo Naji Hakim nach bereits einigen Variationszy­len über folkloris­tische Themen ein weiteres Werk dieser Gattung vorlegt.
Inspiriert zeigt er sich dabei von der musikalischen Gestaltung der Karwochen-Feierlichkeiten in Saragossa und dabei vor allem von den Tänzern und Musikern der aragonesischen Jota, die in einem fröh­lichen Spektakel der österlichen Freude Ausdruck verleihen. Und als ein Abbild dessen muss dieses gut fünfminütige Stück gesehen werden: eine Abfolge von mehreren recht gleichartigen, freudig bewegten volkstümlichen Melodien, die Naji Hakim in gewohnter Art spritzig serviert.
Hier kommt eine weitere Bedeutung des Begriffs „Villancico“ zum Tragen, welcher eine musikalische Form bezeichnet, in der ein Refrain den Rahmen von Strophen bildet, die ihrerseits zweigeteilt sind und musikalische Verwandtschaft zum Refrain aufweisen. Hakim macht sich dieses Prinzip in freier Anwendung zunutze und präsentiert so, umrahmt von einer kurzen Introduktion, einer Coda und kleineren Überleitungen, insgesamt fünf kurze Themen. Diese werden allerdings nicht – wie das Jean Langlais etwa in seiner Suite folklorique exemplarisch gezeigt hat – musikalisch verarbeitet oder „durchgeführt“, sondern in ihrer Originalform belassen und mit einer den Rhythmus gut hervorbringenden Begleitung versehen.
Die Registrierung bleibt im Wesentlichen gleich (Mixturen und Zungen im Hauptwerk, begleitet von Grundstimmen und Zungen in den Nebenwerken), die Spielbarkeit kann als höchstens mittelschwer bezeichnet werden, die Notenausgabe ist sehr gut lesbar, klar und mit Finger- und Fußsätzen versehen.
All das ist gut gemachte „Gute-Laune-Musik“, wie wir sie von Naji Hakim und auch anderen kennen – trotzdem würde man von ihm gerne wieder ein Orgelwerk sehen, das an Ausmaß, musikalischer Durchdringung und spiritueller Konzeption an seine frühen Werke wie Memor oder Embrace of Fire heranreicht.
Christoph Kuhlmann