Miloslav Kabelac
Vier Präludien op. 48
Die vier kleinen, technisch schwierigen Präludien op. 48 von Miloslav Kabelac (1908–79), zu dessen Lehrern u. a. Alois Hába und Erwin Schulhoff zählten, entstanden anlässlich des „Prager Frühlings“ 1966. Die Stücke wurden ursprünglich in der „proportionalen Notation“ geschrieben, dann aber vom Herausgeber Jan Hora in die traditionelle Notation übersetzt. Diese sowie die ursprüngliche Notation betragen jeweils 15 Seiten. So kommt der Band mit den relativ kurzen Stücken auf 44 Seiten Umfang. Als Teil der kritischen Gesamtausgabe trägt er allerdings bedeutend zum Verständnis des Komponisten bei.
Die klangstarken, sensiblen Präludien zeigen eine detailgenaue Kenntnis des Instruments Orgel. Sie beziehen das Werkprinzip, Schwellangaben und gut zu realisierende Lautstärken mit ein. Mit den vielen kritischen Anmerkungen entstand insgesamt eine beachtenswerte Veröffentlichung von Bärenreiter Praha.
Mit der Übersetzung der „space notation“ in traditionelle Notenschrift kann sich der Rezensent nur bedingt anfreunden. Zunächst fragt man sich, ob man dem Komponisten so wenig Absicht zutraut, dass er seine Notation nicht frei wählen darf. Zudem verkompliziert die traditionelle Taktnotation das Notationsgeschehen deutlich. Mit dem Takt gewinnt die Musik ein Mitschwingen des Organisten, was der Komponist mit seiner freien Notation offenbar vermeiden wollte – die Musik soll gerade, ähnlich wie bei organ2 – Aslsp von John Cage, frei fließend interpretiert werden.
Ähnlich wie schon der zweifelhafte, weil in traditionelle Formen pressende und verkomplizierende Beitrag Gerd Zachers, Isang Yuns Tuyaux sonores (1967) traditionell aufzuschreiben, scheitert auch hier die Übertragung in traditionelle Notenschrift an der Sinnfälligkeit des Unterfangens sowie an der Übersetzung eines fließenden Musikgeschehens in einen Taktrhythmus. Anders als bei Zachers Umschreibung, die der Komponist aus didaktischen Gründen förderte, kann sich Kabelac nicht dagegen wehren.
Positiv ist zu erwähnen, dass dem Spieler letztlich beide Varianten angeboten werden, wenngleich die ursprüngliche Handschrift naturgemäß immer etwas schwerer zu entziffern ist, da sie etwas kleiner gesetzt ist.
Dominik Susteck