Peter Bares
Vier Metaphern op. 2885 für Orgel
Fast 3000 Werke umfasst das Œuvre des 2014 verstorbenen Komponisten Peter Bares. Die allermeisten davon sind leider nie gedruckt worden und so der Öffentlichkeit kaum zugänglich. Bares war Kirchenmusiker mit Leib und Seele; so entstanden seine Kompositionen weitestgehend für den gottesdienstlichen Gebrauch. Allein das lateinische Ordinarium hat er in fünfzig Jahren fast 800 Mal neu komponiert. Motetten, Choräle, ein Gesangbuch und ein umfangreiches Orgelwerk runden sein Schaffen ab. Viele seiner Chorwerke sind im besten Sinne „Gebrauchsmusik“: heute komponiert, morgen geprobt, am Wochenende aufgeführt. So sind seine Werke stets an den Möglichkeiten der Aufführenden orientiert.
Bares Verhältnis zur Kirche war nicht immer ungetrübt. „Die haben noch nicht begriffen“, donnert Bares einmal, „dass Musik keine Umrahmung, sondern ein wesentlicher Bestandteil der Liturgie ist. Denn wo gesungen und die Orgel gespielt wird, geht der Gottesdienst weiter.“ Für das jazz- und pop-orientierte „Neue geistliche Lied“ hatte Bares nur Verachtung übrig. Seine Basis war die Weiterführung der Gedankenwelt des Gregorianischen Chorals.
Einen wesentlichen Teil seiner künstlerischen Arbeit nahm die Orgelimprovisation ein. Dabei schöpfte er aus dem weiten Fundus des Althergebrachten und erweiterte ihn um bisher noch nicht Gedachtes und Gehörtes. Wer einmal bei ihm einen Orgelkurs besucht hat, erinnert sich vielleicht an seinen Ausspruch: „Ihnen müssen wir erst einmal ihre harmonischen Finger brechen.“ Eine letztlich völlig freitonale Harmonik ist das Ergebnis dieses Denkens.
Peter Bares hat eine eigene Tonsprache, die sich über weite Strecken einer harmonischen und formalen Analyse widersetzt. Auch seine Klangvorstellungen sind sehr eigen. Von einer Emanzipation der Dissonanz kann man bei ihm nicht mehr sprechen: Die Dissonanz ist einfach da!
Die Vier Metaphern sind Bares’ letztes vollendetes Werk, geschrieben zwischen dem 16. September und dem 3. Oktober 2010. Vier kurze, jeweils drei Druckzeilen lange Miniaturen. Keinerlei Spielanweisungen oder Registrierungsvorschläge geben dem Ausführenden Hinweise darauf, was Bares selbst sich klanglich vorgestellt hat. Über der ersten Metapher steht das Wort „Toccata“. Der Notentext vermerkt die Daten, wann er komponiert hat, manchmal nur ein oder zwei Takte an einem Tag. Die zweite Metapher ist wohl insgesamt an nur einem Tag entstanden.
Wie diese klingen könnten, lässt sich am einfachsten mit einem Blick auf die vielfältig-ungewöhnliche Disposition „seiner“ Orgel in der Kunststation St. Peter in Köln (www. sankt-peter-koeln.de/wp/raum-2/
orgeln) erahnen. Auf der Homepage von St. Peter heißt es dazu: „Die Orgel lässt sich keinem Stil zuordnen, keiner historischen Tradition. Sie ist ein Instrument, das von einem Visionär entworfen wurde, der keiner Schule angehört und der dazu berufen ist, den Komponisten neue Horizonte aufzutun. Kurz gesagt: Es ist eine zeitgenössische Orgel.“ Für den Komponisten Peter Bares gilt ein nämliches: Er ist noch immer ein zeitgenössischer Komponist!
Ralf-Thomas Lindner