Unsere Kernlieder

33 ausgewählte Lieder aus dem Evangelischen Gesangbuch, Ausgabe für Flöte und Orgel von Thomas J. Astfalk

Verlag/Label: Strube Edition 3366
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2021/02 , Seite 58

Der Begriff der Kernlieder wurde von der badischen und der württembergischen Landeskirche geprägt. Im Jahr 2006 wurde eine Liste mit 33 Kernliedern veröffentlicht, um dadurch ein gemeinsames Liedrepertoire bereitzustellen, „das evangelische Christen miteinander verbindet“.
Bis auf eine Ausnahme stehen alle Kernlieder im Stammteil des Evangelischen Gesangbuchs. Der größere Anteil bilden altehrwürdige Choräle. Sechs Lieder gehören zum gemäßigten neuen Liedgut, entstanden im 20. Jahrhundert, eines hat eine alte Melodie, aber einen Text aus dem 20. Jahrhundert, drei sind Kanons.
Zu allen diesen Liedern schreibt Thomas J. Astfalk eine Intonation und einen Begleitsatz, zu den Kanons nur ein Harmonieschema. Alle Sätze sind für Flöte in C und Orgel konzipiert. Die Solostimme in C ist der Edition beigegeben, eine Stimme in B ist über den Verlag kostenfrei erhältlich. Astfalk weist aber darauf hin, dass auch ein anderes Melodieinstrument oder ein anderes Tasteninstrument Verwendung finden können, die Sätze auch trans­poniert werden können.
Das Vorwort zu dieser Sammlung macht wenig Lust weiterzublättern. Astfalk ergeht sich hier in Platitüden. Könnte man noch verstehen, dass sich „zur Registrierung an einer Orgel aus bekannten Gründen kaum allgemeingültiges sagen lässt“, so dürfte es selbstverständlich sein, dass „es günstig ist, wie so oft, das Zusammenspiel von einer weiteren Person in der Probe abhören zu lassen“. Dieses aber lässt sich noch steigern: „Eine Absprache der Instrumentalisten über die Gestaltung der Strophen sollte die Regel sein.“ – Dafür lässt Astfalk die Interpreten bei den Vorspielen ziemlich allein, erwartet aber musikalische Einsicht: „Es ist nicht schwer, die musikalischen Intentionen der Vorspiele zu erkennen. Meist hängen sie ganz unmittelbar mit dem Text des betreffenden Liedes zusammen. Im Bewußtsein dieses Zusammenhangs kann den Interpreten sicher auch eine sprechende Darstellung gelingen – auch bei weitgehendem Verzicht des Autors auf allzu viele Detailangaben zur Gestaltung.“
Wer das Vorwort übersteht, wird allerdings reich belohnt! Es folgt kreative und von spielerischer Lust durchwehte Musik. Mit einem umfangreichen Repertoire an musikalischen Möglichkeiten und großer Stilsicherheit gelingt es Astfalk, auch Althergebrachtes lebendig, vielfältig und spannend zu gestalten. Der Schwierigkeitsgrad beider Instrumente ist insgesamt leicht (Astfalk würde vielleicht trotzdem sagen: „Üben schadet nie!“). So können vielleicht auch einmal musikalisch noch nicht so weit fortgeschrittene „Solisten“ aus der eigenen Gemeinde in die Gottesdienstgestaltung mit einbezogen werden.
Könnte man über Sinn und Unsinn der Kernlieder-Liste trefflich streiten, so hat sie einen unbestreitbaren Vorteil: Fast alle Lieder sind eben auch Kernbestand im allwöchentlichen Gottesdienst. So gehört die Sammlung von Astfalk zu den praktischsten und sinnvollsten Ausgaben, die je für die Kirchenmusik konzipiert worden sind.

Ralf-Thomas Lindner