Un récital d’orgue à Pontoise

Werke von J. S. Bach, Nicolas de Grigny, Michel Corrette, W. A. Mozart, Felix Mendelssohn, César Franck, Gaston Belier, Jehan Alain, Olivier Messiaen

Verlag/Label: EMA 9509
erschienen in: organ 2009/04 , Seite 52

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Auf dieser CD-Einspielung bietet Philippe Bardon, Schüler u. a. von Susan Landale und Michel Bouvard, sicherlich keine allzu großen Überraschungen. Seine Programm­auswahl quer durch die Jahrhunderte ist auf den ersten Blick mehr als konventionell in der Zusammenstellung. Sein technisch allemal akkurates Spiel hat musikalischen Fluss, bleibt interpretatorisch aber weitgehend im Spektrum gewohnter Solidität. Besonders César Francks Prélude, Fugue et Variation wirkt geradezu belanglos dahingespielt. Merkwürdig unterkühlt im Tonfall, verzichtet Bardon im Präludium weitgehend auf agogische Gestaltung, und auch die Fuge lässt keinen rechten Spannungsverlauf erkennen. Und dennoch gelingen ihm immer wieder leuchtende Momente, die einen davon abhalten, frühzeitig die Stoptaste des CD-Players zu betätigen.
Ohne den Ballast vermeintlicher Authentizität nimmt sich Bardon gleich zu Beginn Bachs Präludium und Fuge G-Dur BWV 541 mit unverkennbar französischem Esprit an. Mit sprühendem Elan und beherzter Vitalität verleiht er dem sattsam bekannten Opus eine schneidende Frische, assoziiert nicht zuletzt durch den Gebrauch feuriger Zungen in der Fuge ein wahres Pfingst-Brausen. Ähnlich verfährt der Interpret auch mit Mendelssohn Bartholdys A-Dur-Sonate aus op. 65. Nicht pietistische Frömmelei beherrschen im Con moto maestoso die Szene, sondern die innig-flehende Leidenschaft des Chorals „Aus tiefer Not“. Dem oftmals als schwermütig-grüblerischer Appendix zum vorausgegangenen Pas­sions-Choral gestalteten Andante tran­quillo verleiht Bardon durch einen lichten, hellen Glanz eine geradezu versöhnlich-befreiende, ja österliche Zuversicht. Diesem Gedanken korrespondiert dann auch das Schlussstück der CD, Messiaens „Offrande et Allelúia final“ aus Livre du Saint-Sacrement.
Als weitere Stücke erklingen die mit großer lyrischer Geste interpretierte Tierce en taille von Nicolas de Grigny, Alains Variations sur un thème de Clément Janequin und Choral Cistercien sowie Michel Correttes Suite du 2éme Ton, in deren Schlusssatz „Grand Jeu avec le tonnerre“ der höllische Lärm der martialischen Trompettes von wahr­haft beeindruckender Wirkung ist. Als Weltersteinspielung bereichert die in bester französischer Tradition stehende Toccata des langjährigen Organisten an der Kathedrale von Pontoise, Gaston Belier (1863-1938), schließlich diese CD.
Allemal hörenswert ist die 1979/80 im historischen Gehäuse erbaute Orgel (IV/56) von Gonzalez. Satte, füllige Grundstimmen, farbige Aliquote und Mixturen sowie feurig-expressive Zungen präsentieren sich hier als ein schlüssiges Beispiel einer orgue néoclassique – zudem als eine wohltuende akustische Erfrischung zur anhaltenden Cavaillé-Coll-Schwemme auf dem Orgel-CD-Markt.

Wolfgang Valerius