Trauer
Kreuz – Leid – Schmerz – Trost. Werke aus dem Barock bis zum Impressionismus (pedaliter und manualiter), hg. von Karl-Peter Chilla
Was im ersten Moment wie ein Verkaufsgag erscheinen mag, macht am Ende doch Sinn. Denn „Trauer“ und „Beerdigung“ sind zwei unterschiedliche Sachverhalte – auch wenn sie emotional ausgesprochen nahe beieinander liegen. Einen Band Beerdigung mit Bearbeitungen aus „Barock, Klassik, Romantik“ von Karl-Peter Chilla hatte der Strube Verlag bereits 2014 veröffentlicht. Haben wir hier also nur eine Art „zweiten Band“ vorliegen, eine Ergänzung? Mitnichten!
In Trauer wurden 31 Stücke zusammengestellt, die sich zur Darstellung in einem emotional traurig geprägten Rahmen eignen: etwa zum Volkstrauertag, zum Toten- bzw. Ewigkeitssonntag, für Passionskonzerte und selbstverständlich auch in Teilen zu Trauerfeiern und Begräbnissen. 17 Stücke sind rein manualiter darstellbar, 14 pedaliter. Allerdings ist bei vielen Sätzen eine zweimanualige Orgel wünschenswert, möglichst sogar mit einem Schwellwerk für dynamische Abstufungen.
So sind die Werke aus Trauer eher auf einer Orgel in einer Kirche als auf einem Instrument in einer Kapelle zu verorten. Natürlich lässt sich ein Teil auch auf einem wie auch immer gearteten Friedhofs-instrument darstellen, besonders auf den dort zunehmend verbreiteten elektronischen Klangerzeugern mit ihren unleugbar vielfältigen Möglichkeiten.
Die hervorragende und gut gemischte Auswahl der in Trauer aufgenommenen Kompositionen ist schon vom Titel her häufig emotional – und durchaus nicht immer kirchlich konnotiert – geprägt: Marcia funebre, Träumerei, Eine Träne, Sehnsucht usw. Nur zwei Kompositionen haben einen direkten Bezug zu Chorälen. Einige Stücke sind entweder Be- bzw. Verarbeitungen bekannter Themen (z. B. die Sinfonia aus der Kantate „Ich steh mit einem Fuß im Grabe“ von Johann Sebastian Bach) oder größeren musikalischen Zusammenhängen entnommen und für Orgel gesetzt (z. B. das „Lacrymosa“ aus Verdis Requiem oder drei Chorsätze aus Mendelssohns Elias).
Neben Händels offenbar in solchen Sammlungen unverzichtbarem „Largo“ (in keiner besonders genialen oder neuartigen Bearbeitung) sind viele durchaus (für Orgel) nicht so verbreitete Werke aufgenommen worden, z. B. Henry Purcells „When I am laid in earth“ aus Dido und Aeneas, Erik Saties Gymnopédie I oder Louis Isidore Lavaters Tristesse. Sehr schön auch das Präludium e-Moll (aus 24 Préludes op. 28) von Chopin, das wegen seiner wehmütigen Klage auf Chopins Wunsch hin auf seiner Beerdigung gespielt wurde. Mit Louise Adolpha Le Beau hat eine einzige Komponistin (Wann wird man dieses Phänomen endlich nicht mehr extra erwähnen müssen?) den Weg in diese Sammlung gefunden.
Dies ist eine vorbildliche und vollumfänglich empfehlenswerte praktische Ausgabe. Deren spielerische Anforderungen sind „leicht“, auch wenn man einige wenige Passagen nicht sofort vom Blatt wird spielen können. Ein neues Standardwerk für klavieristisch-organistische „Trauer“!
Ralf-Thomas Lindner