Robert M. Helmschrott

Toccata con Variazioni für Orgel

Verlag/Label: Schott Music, ED 22972
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2018/04 , Seite 58

Schott Music legte kürzlich das Opus primum Robert Maximilian Helmschrotts vor, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag feierte. Helmschrott wurde im oberbaye­rischen Weilheim geboren und absolvierte seine musikalischen Studien an der Hochschule für Musik in München, u. a. bei dem Komponisten Harald Genzmer. Weitere Studienaufenthalte bei Pierre Froidebise, einem Schüler Charles Tournemires, im belgischenn Liège und bei Goffredo Petrassi sowie Luigi Dallapiccola in Siena (Toskana) folgten, bis er 1967–69 Stipendiat der Deutschen Akademie in der Villa Massimo in Rom wurde und 1975 der Cité Internationale des Arts in Paris. 1993 wirkte er als „Artist-in-Residence“ in der MacDowell Colony Peterborough, New Hampshire (USA), mehrere nationale und internationale Komposi­tionspreise folgten. Er war Professor an der Hochschule für Musik in München, von 1992 bis 1995 deren Vizepräsident und von 1995 bis 2003 deren Präsident.
In Helmschrotts Schaffen steht neben liturgischer und Chormusik, Kammermusik und Orchesterwerken die Orgelmusik im Mittelpunkt. So verfasste er über zwanzig Orgelsolowerke, zwölf Kirchensonaten für verschiedene Instrumente und Orgel. Erst 19-jährig, während seiner Studienzeit 1957 bei Pierre Froidebise, schrieb er Toccata con Variazioni, sein erstes großes Orgel-Opus. Dem knapp 15-minütigen Werk liegt ein eigenes dorisch-modales, fast volksliedhaftes Thema zugrunde, in dem die Intervalle Quinte und – als Umkehrung – die Quarte eine wichtige Rolle spielen. Der Toccaten-Teil, der sich innerhalb des Stücks mehrfach wiederholen wird, beginnt mit einer massiven Akkordfolge, die in mehrfacher Quartschichtung angelegt ist. Sie wird über einem Bass in Gegenbewegung parallel geführt und gemahnt an den Klang einer Bigband, jedoch ganz und gar eingetaucht in Hindemith-Genzmer’­sche Klangästhetik. In groß angelegten Sequenzen streben dann einstimmige Manualläufe über Halbtonseufzern im Pedal nach oben; diese Passagen werden bei der ers­ten Wiederholung des Toccaten-Teils in der Mitte des Stücks mit dem Thema kombiniert – eine konsequente Faktur, die die insgesamt klug durchdachte Architektur des Werks unterstreicht.
Die Variationenfolge bringt klassisch einen dreistimmigen Satz, ein Bicinium, ein Scherzo mit wechselnden Staccato-Akkorden in den Händen und dem Thema im Pedal, zwei sehr aparte klangsinnige Harmonisationen und zwei Variationen, die eindeutig von Marcel Duprés Noël-Variationen op. 20 inspiriert wurden. Virtuose Elemente wie flirrende Tongirlanden im Manual oder ein Trio mit einem Kanon in den Begleitstimmen, ganz in der Tradition Harald Genzmers, seien ebenfalls genannt, bevor der abschließende Toccaten-Teil in eine kompakt gesetzte Schlussstrophe führt.
Ein starkes Werk, voll jugendlichen Feuers und durchdachter Konstruktion, motivischer Arbeit bis ins Detail und Klangsinnlichkeit – schon ein „echter Helmschrott“, welcher beim Üben und Zuhören Freude bereitet.

Stefan Kagl