Francisco Correa de Arauxo

Tientos für Orgel

Francesco Cera an der Orgel von Santa Maria Garrovillas de Alconetar, Extremadura (Spanien)

Verlag/Label: 2 CDs, Brilliant 95508 (2018)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2018/03 , Seite 61

Bewertung: 5 von 5 Pfeifen

Auf der iberischen Halbinsel gibt es reichhaltige Orgellandschaften mit bemerkenswerten Instrumenten. Die spanische Orgel kennt man als schmuckvolles und repräsenta­tives Werk mit geteilter Klaviatur und eindrucksvollen Horizontaltrompeten, prächtig und kostbar! Meist im späten 17. und besonders im 18. Jahrhundert errichtet, bilden diese Instrumente jedoch die „Nachklänge“ eines Goldenen Zeitalters. Oft erklingen, ganz legitim, auf diesen Instrumenten Werke des musikalischen Siglo de Oro (1550–1680).
Eine besondere Stellung, quasi die Achse zwischen den Jahrhunderten, nimmt der Spanier Francisco Correa de Arauxo (1584–1654) ein. Sein Schaffen kombiniert die etablierte Instrumentalpolyphonie u. a. von Cabezón (1510–66) und Padre M. Rodrigues Coelho (ca. 1555–1635) mit den wahrscheinlich durch Peraza (1564–98) neu aufgekommenen klanglichen Möglichkeiten der geteilten Klaviatur, dem Medio regis­tro. Kreativ, mutig und daher besonders anerkennenswert ist, wenn man sich besagter Achse Correa de Arauxo von der anderen Seite, vom 16. Jahrhundert aus nähern kann.
Für das vorliegende Tondokument wurde die Renaissance-Orgel der Pfarrkirche Santa María de la Consolación in Garrovillas de Alconétar gewählt. Meint man nun, dass in einer 2000-Seelen Gemeinde, im Niemandsland der Extremadura, wo Fuchs und Hase sich Gute Nacht sagen, kulturell nichts Wichtiges stattfindet, wird man beim genauen Hinschauen und Hinhören, beim Verweilen eines Besseren belehrt. Diese Renaissance-Orgel ist nicht nur die älteste spielbare Orgel Spaniens, sie gehört auch in den ehrwürdigen Kreis der ältes­ten Orgeln Europas, die dank aufmerksamer Pflege, regionalem Selbstbewusstsein und einer gelungenen Restaurierung (G. A. C. de Graaf, 1990) ein charakteristisches Instrument geblieben ist. Sie datiert auf Mitte des 16. Jahrhunderts.
Bei der Renovation von 1677 wurden die Windladen von fünf der sechs Register geteilt. Dieses Update trug den Ansprüchen der aktiven Musiker und den Entwicklungen im iberischen Orgelbau Rechnung. Für „Fuchs und Hase“ hatte das Gold und Silber der Conquista in der folgenden Zeit nicht gereicht: keine Vergrößerung, keine Horizontalzungen, keine Effekte. Zum Glück!, muss man sagen. Die Orgel in Garrovillas de Alconétar blieb eine Renaissance-Orgel, auf der die Musik des Siglo de Oro heimisch ist – und vieles anderes mehr aus dieser Zeit, auch jenseits der Pyrenäen und Küsten.
Francesco Cera stellt auf dieser Doppel-CD eine repräsentative Auswahl verschiedener Tiento-Typen sowie verschiedener Bearbeitungsformen gängiger vokaler Modelle aus Correa de Arauxos Facultad orgánica (1626) vor. Gerade der Tiento Tercero de Sexto Tono, „sobre la primera parte de la Batalla de Morales“, den man oft und daher gerne mächtig und horizontal im Klanggewand des 18. Jahrhunderts erlebt, offenbart auf einer Orgel gänzlich ohne Zungen charmant und transparent seine agile Satztechnik.
Ein Programm-Highlight mit Suchtpotenzial sind die sich anschließenden Glosas über Gaybergier de Toma Crequilion mit nur einem Register ausgeführt, in denen das klanglich betörende Tapadillo das Ohr umschmeichelt.
Aus mehreren Gründen dürfen die Tres glosas sobre el canto llano de la Immaculada Concepción nicht fehlen – hatte doch der „canto llano de la Inmaculada Concepción de la Virgen María“ in Sevilla zur Zeit unseres Komponisten den Rang eines Gassenhauers.
Einen weiteren Grund liefert das Gehäuse der Renaissance-Orgel in Santa María de la Consolación: Während der Einspielung hatte Cera seinen Platz unter den geöffneten, farbenfroh gestalteten Flügeltüren der Orgel. Die abgebildete Szene Maria (rechts ohne Jesuskind) und Engel (linke Flügeltür) lässt sich als Mariä Verkündigung (In An­nuntiatione Beatæ Mariæ Virginis) deuten. Zusammen mit der Patronin der Kirche (Heilige Maria des Trostes) verbinden sich die Glosas und die Orgel zu einer glücklichen Synthese aus Land, Leuten, Kultur und Tradition. (Empfehlenswert ist das Promotionsvideo der Aufnahmesession unter https://youtu.be/ 1jLfp27VuYw, das einen repräsentativen Tiento Correa de Arauxos vorstellt und die klanglich und optisch außergewöhnlich schöne Renaissance-Orgel zeigt.)

Johannes Ring