Bach, Johann Sebastian

The Trio Sonatas BWV 525-530

Verlag/Label: 2 CDs, OpusArte OACD9037D (2015)
erschienen in: , Seite 60
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Es gehört schon Mut dazu, den zahlreichen Aufnahmen von Bachs Triosonaten eine weitere hinzuzufügen. Aber es ist natürlich auch eine He­rausforderung, der sich viele OrganistInnen stellen mögen, zumal wenn sie „zu den führenden Organisten ihrer Generation“ (Beiheft) gezählt werden. David Newsholme leitet derzeit den Girl’s Choir und ist u. a. Vice-Organist der Canterbury Cathedral (Großbritannien), 2014 wurde er promoviert.
Es gab und gibt tatsächlich Interpreten mit einem enzyklopädischen Hang, die – etwa in einem Zyklus Der totale Bach – alle sechs Triosonaten an einem Abend spielen. Das mag auf Spieler eine (technische) Faszination ausüben, doch selbst auf einen geneigten Zuhörer im Konzert ist es doch mehr als eine Zumutung. Für eine – wenn man so will – enzyklopädische CD mag das angehen. Man kann sie ja in „homöpathischen“ Dosen anhören. Was allerdings Newsholme bewogen hat, die Reihenfolge zu ändern (CD I: Nr. 5 C/Nr. 3 d/Nr. 4 e – CD II: Nr. 2 c/Nr. 1 Es/Nr. 6 G), vermag er nicht schlüssig zu erläutern, versucht es mit „dynamischer Abfolge, atmosphärischen Unterschieden“ und „Kontrastieren“ zu begründen. Ob das gelungen ist, mag bezweifelt werden, da es kaum möglich ist, diese sechs Meisterstü­cke von gleicher Struktur klanglich wirklich abwechselnd und spannungsreich zu präsentieren.
Die Disposition der bei der Aufnahme (September 2013) verwendeten, 1976 von Metzler & Söhne (Schweiz) erbauten Orgel der Trinity College Chapel Cambridge ist mit zusätzlicher Beschreibung älterer verwendeter Register (teils von 1694 und 1708) im ausführlichen Heftchen angegeben; Beispielregis­trierungen der Sonatensätze fehlen ebenso wie die Angabe der verwendeten Edition.
Mein Eindruck insgesamt: Die langsamen Sätze aller Sonaten werden sorgfältig zelebriert und zumeist mit liebevollem Ausdruck und geschmackvoll-dezenten Verzierungen gereicht. Ihre Artikulation ist angemessen, und die agogischen Deutungen kommen stimmig. Bei den Sonaten I und VI beherrschen Zungen den Klang und wirken auf Dauer im Ohr leicht „kratzig“. Bei Sonate III.2 stört das Geräusch des Tremulanten, der sich auch „tonlos“ in den Vordergrund spielt. 
Bei allen schnellen Sätzen hingegen herrscht ein eher verhaltenes Tempo; dafür serviert Newsholme eine nicht immer nachvollziehbare Agogik mit häufigem Ausbremsen, Innehalten und Stauungen. Man ist geneigt, ihm zuzurufen: „Mach vorwärts, bleib nicht immer stehen!“ Es kommt einem Friedrich Guldas Kommentar in den Sinn: „Wissn’S, die Ardikulatsioon is immer dös lödzde Middel. Aber die meisden Kolleegen können nöt im Daagd spuiln.“ Ein bisschen Ar­tikulation muss gewiss sein, aber New­thorne übertreibt. Er dehnt zu oft und das an unerklärlichen Stellen. Dafür rauscht er gern unversehens in neue Abschnitte – und in die die Metrik aufmischenden Synkopen begibt er sich mit sanftem Legato. Und seine Tempi: Es fehlt das Temperament 
– zumindest klingt alles bedächtig-behäbig und mit Geschwindigkeitsbeschränkung. 
Dies betrifft vor allem die Finalsätze. Wartet man nach den Andantes und Adagios auf ein frisches Wiedererwachen, auf einen aufbrechenden Frühlingsbeginn, ist eher blasse Regelmäßigkeit angesagt. Natürlich kann man über Tempi streiten. Newthorne mag hiermit eher ein Auditorium zufriedenstellen, das nichts von allzu raschen Tempi hält. Auch das soll seine Berechtigung haben.
Die Klanglichkeit der Ecksätze auf einer solch lexikalischen Doppel-CD zu variieren, ist, wie gesagt, schwierig und gelingt nicht immer. Dafür sorgt Bach selbst wenigstens für Abwechslung mit seinen sprühenden Einfällen und seiner munteren Verarbeitung – trotz aller Ernsthaftigkeit seiner kontrapunktischen Künste. Manche Sätze regis­triert Newthorne silbrig und licht, bei manchen herrscht ein prinzipaliger Klang vor (IV,1), der den Hang des Organisten zu behäbiger Vorstellung verstärkt. Einmal (V,3) scheint in seiner Vorstellung gar ein baro­ckes Prachtorchester zu herrschen. Das hier herangezogene Plenum lässt glatt vergessen, dass die Sonaten nachweisbar kammermusikalischen Ursprungs sind. Und in VI.1 ist die Klangregie im Pedal missglückt, speziell bei den 16tel-Stellen. Die tönen, als sei ein schläfriger Kontrabassist von den schwarzen Noten überrascht worden.
Das dreisprachige Livret (englisch, französisch, deutsch) erklärt ausführlich die historisch-wissenschaftlichen Hintergründe der Sonaten-Entstehung und bisherigen Rezeption; dazu kommen die Vita des Interpreten, seine recht persönlichen Ansichten zu den Sonaten sowie die Disposition der Orgel und ihre Geschichte.
 
Klaus Uwe Ludwig