Burkhard Mohr

Tasten und Tuba

Fünf Stücke für Tuba in F und Klavier (Orgel)

Verlag/Label: Strube Edition 3685https://www.strube.de/produkt/tasten-und-tuba/
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2025/01 , Seite 60

Ein Instrument des Jahres auszurufen, hat inzwischen Tradition. Die seitens der Landesmusikräte betriebene Kampagne zielt darauf ab, für das jeweils gekürte Instrument ein breit(er)es Interesse zu wecken und es mit seinen Klangfacetten möglichst vielfältig in Szene zu setzen, außerdem stilistische bzw. genre-bezogene Rollen-Festlegungen bzw. Hör-Erwartungen neu auszurichten. In eben diesem Sinne war die Wahl der Tuba zum „Instrument des Jahres 2024“ besonders aussichtsreich. Und hier knüpfen zwei Neuveröffentlichungen des Münchner Strube-Verlags für die bislang vernachlässigte Klangkombination Tuba und Orgel an.
Musikalisch abwechslungsreich geht es in den Fünf Stücken für Tuba in F und Klavier (Orgel) von Burkhard Mohr zu, als Satzfolge oder einzeln aufzuführen. Dem eröffnenden „Allegro“ (mit weiten Tuba-Liegetönen über bewegten Achteln im Orgelpart) folgen ein gesanglich-ruhiges „Andante“ und ein rasanter 3/4-„Presto“-Satz (jeweils mit solistisch geführten Passagen der Tuba). Vor dem Schlusssatz, „Zugabe jazzig-hessisch“ be­titelt und geprägt von allerlei synkopischen Akzenten, erklingen in einem kurzen „Scherzo“ mehrfach weit ausgreifende aufwärtsgerich­tete Intervallsprünge, deren Zielton hier explizit „auch quietschig denkbar“ ist. Mit solchen „kleinen Extravaganzen“ und seiner Anregung, dass lange Töne durch die Interpretierenden selbst rhythmisiert werden können, ist es Burkhard Mohr da­rum zu tun, die Spielfreude, wie sie insbesondere mit dem „vielseitigen Instrument Tuba“ verbunden ist, und zugleich die Kreativität beim Musizieren zu fördern.
Auch in Salam – Schalom für Tuba und Orgel, komponiert von Tors­ten Laux, geben in der Solo-Stimme längere Notenwerte (mit Fermate-Zeichen) ausdrücklich Gelegenheit, frei zu improvisieren. Im Verlauf der Komposition erklingen dann – jeweils „Grave dolente“ überschrieben und in gleichsam reflexiver Haltung eingeblendet – motivische Zitate aus zwei hebräischen, gesungenen Gebeten („Kol Nidrei“ / „Kaddisch“). Womit der Komponist seinen „Wunsch nach Frieden (arabisch salam und hebräisch schalom) als zentrale Botschaft in den Vordergrund“ gerückt wissen will. Und indem er im Anschluss an jene Passagen anregt, jeweils ein meditatives Gedicht islamischer Herkunft (Verfasser: Dschalal ad-Din Muhammad Rumi, 1207–73) frei zur klingenden Musik sprechen zu lassen, setzt er einen genauso überzeugenden wie berührenden Kontrast zum aufsteigend-rhythmisierten Tuba-Signal in der musikalischen Eröffnung („Allegro pomposo“).
Klang-gestalterische Möglichkeiten, wie sie in der Kombination von Tuba und Orgel bereitliegen, lassen sich – das führen beide Veröffent­lichungen vor – durchaus wirkungsvoll ausloten und entfalten, ohne dass es zwingend erforderlich wäre, kompositions- und spieltechnische Ansprüche auszureizen. Im Gegenteil: Den Schwierigkeitsgrad der Ausführung gerade nicht zu hoch anzusetzen, kann nachgerade ganz eigene Berechtigung haben.Während die Duo-Konstellation Orgel mit tiefstem Blechblasinstrument bislang als vernachlässigt gelten kann, ist diejenige mit Trompete vielbewährt. Ebenfalls im Strube-Verlag neu erschienen sind zwei (im skizzierten Sinne) attraktive Kompositionen für diese Besetzung. „Höchstens mittelschwer“ kennzeichnet Lilo Kunkel den technischen Anspruch in ihren Ten Trumpet Tunes. 10 Choralbearbeitungen für Trompete und Orgel im Jazz-Idiom. Zwar gibt es etliche synkopisch geprägte Passagen und selbstredend triolische anstelle der „geraden“ Achtelphrasierung (so in „Die ganze Welt, Herr Jesu Christ“; EG 110, Gotteslob 332). Insgesamt allerdings bleibt die Verwendung jazzig-swingender Elemente eher wohldosiert. Mal intoniert die Trompeten-Stimme zumeist in breiteren Notenwerten die eigentliche Choralmelodie, während (nur) im Orgelpart akkordisch und figurativ ein (angedeuteter) jazziger Gestus umgesetzt ist (so in „Im Frieden dein, o Herre mein“; EG 222, Gotteslob 216). Oder die Komponistin verlangt in den Choralbearbeitungen mehrmals einen Wechsel der Achtelphrasierung, was insbesondere eine lebendige Wirkung erzeugt (so in „Komm, Heiliger Geist, mit deiner Kraft“; EG Bayern-Thüringen 564, auch in Gotteslob-Regionalteilen). Eine ausgesprochen praxisnahe und vielseitig einsetzbare Repertoire-Erweiterung gleichwohl.
In seinem Freedom of Birds für 3 Trompeten und Orgel setzt Enjott Schneider eine (im Vorwort ausgeführte) programmatische Idee musikalisch um, nämlich die sinn­bildhafte (Be-)Deutung bestimmter Vö­gel/Vogelwesen als Mittler zwischen Gott und Mensch (Bibel/ christliche Kultur) resp. als Repräsentanten der „unfasslichen Seele“ (archaische Vorstellungen). Schneider versteht es in den fünf Sätzen der suitenartig angelegten Komposition, zumal als erfahrener Komponist auch von Filmmusik, die Symbolik von Adler, Rabe, Taube, Rotkehlchen und Phönix klanglich prägnant einzulösen. Satz 4 („Robin“) etwa enthält „völlig frei und improvisatorisch“ zu gestaltende Passagen, nämlich dann, wenn „Transkriptionen von Rotkehlchen-Gesang“, „Vogelgezwitscher (quasi Cadenza)“ bzw. „ultra-schnelle Vogel-Impro ad. lib.“ zu realisieren sind. Überhaupt geht es Schneider ausgesprochen um das Spiel mit (Klang-)Farben: Über alle Sätze verteilt enthält das Notenmaterial diesbezügliche Hinweise zur Regis­trierung der Orgel („groß regis­triert, aber im Schweller“; „dark colors“) und Artikulation in den Trompetenstimmen („con sord. ad lib. / hart – metallisch“; „whisper mutes“).
Fazit dieser Zusammenschau: Unprätentiös und erfrischend erscheint die Musik jeweils, gleichermaßen in (kompositorischer) Konzeption wie (Klang-)Wirkung – wenn man so will: anspruchsvoll im Einfachen. Damit liegen hier unbedingt lohnende Anregungen zu musikalisch-motivierender Praxis im gemeinsamen Musizieren von Orgel und Tuba bzw. Trompete bereit. Es ist stimmig und in allen vier Beispielen unmittelbar überzeugend, wie solcherart „Spielfreude“ am jeweiligen Instrument und dort eben auch improvisatorische Freiheiten erprobt, erlebt und weiterentwickelt werden können.

Gunther Diehl