Taragot & Orgel

Musik des Balkan, der Zigeuner und Ostjuden, aus Bosnien, Bulgarien und Armenien

Verlag/Label: GALLO CD-1439 (2015)
erschienen in: organ – Journal für die Orgel 2020/03 , Seite 63

Samuel Freiburghaus und Thilo Muster, Orgel

“Einmal etwas wirklich Anderes und klasse gemacht!” (Markus Zimmermann)

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So genannte Crossover-Produktionen überzeugen nicht immer und geraten bisweilen zu beliebigen „Salatplatten“. Dieser Tonträger voller Exotica überrascht jedoch in jeder Hinsicht. Nicht alle Tage sind Taragot (ein Ende des 19. Jahrhunderts in Budapest entwickel­tes Holzinstrument mit einfachem Rohrblatt), Frula (serbischer Name für eine diatonische Blockflöte), Tilinca (rumänische Hirtenflöte) oder das Bassetthorn zu hören. Selbst Klezmer-Musik mit Klarinette und Orgel ist hier zu finden. Selbstverständlich entstammt das Repertoire gleichfalls der volkstümlichen, mithin häufig auf Improvisation basierenden Musizierpraxis Südosteuropas. Sämt­liche Titel der Aufnahme sind jedoch sorgfältige Arrangements des Schweizer Multiinstrumentalisten Samuel Freiburghaus und des Organisten Thilo Muster; zu den unglaublich wendigen Interpreten gesellt sich bisweilen Nehrun Aliev mit diversen wohldosierten Schlaginstrumenten.
In vielen „Orgel und …“-Arrangements verharren beiden Ebenen eher in konsequentem Nebeneinander. Hier jedoch gehen die Instrumente perfekte Klang-Symbiosen ein: Mitunter ist kaum zu erkennen, welches gerade eingesetzt wird. Stellenweise würde man auch nicht darauf kommen, dass die äußerlich eher unscheinbare, jedoch wohlintonierte Orgel in der Reformierten Kirche Arlesheim (Neidhart & Lhôte, 1973, III/32) als wendige Partnerin glänzt. Namentlich deren Zungen- und Flötenregister verbinden sich mit den Blasinstrumenten ideal.
Abwechslungsreich sind ferner die Genres und Charakteristiken der Stücke: von der Tanzsuite mit wirbelnden, komplizierten Rhythmen über elegische, gar melancholische Melodien bis hin zum fast choralhaften „Gentil Galante“ ist alles vertreten. Gerade diese so gar nicht akade­mische Repertoirewahl macht diese Einspielung zu einer guten „Einstiegsdroge“ – sowohl in Richtung Musik-Ethnologie als auch in Richtung Orgel.
In knappen Texten führt das dreisprachige Booklet in die wichtigs­ten Begriffe der vorgestellten Musiktradition ein und stellt die Interpreten vor. Diese agieren stets mit dem passenden Temperament, so dass auf fulminante Titel immer wieder Ruhepunkte folgen. Die Orgel erweist sich dabei als geschmeidiges Medium und in weltlicher Mu­sik vorzüglich einsetzbar. Der Video-Beigabe hätte ruhigere Bildführung mit Nahaufnahmen der seltenen In­strumente gut getan. – Dennoch: einmal etwas wirklich Anderes und klasse gemacht!

Markus Zimmermann