Gustav Mahler
Symphonie Nr. 9 – Transkription für Orgelduo
Katrin und Ralf Bibiella an der Woehl-Orgel von St. Katharinen in Oppenheim
4 von 5 Pfeifen
Nun also auch Sinfonisches von Gustav Mahler! Die Zunft der Organisten war ja immer schon eifrig, wenn es um Transkriptionen orchestraler Musik für ihr eigenes Instrument ging. In den letzten Jahren erblickten Smetanas Moldau, Rachmaninows Toteninsel und Dvořáks Sinfonie Aus der Neuen Welt in Orgelversionen das Licht der Welt, um nur einige wenige Beispiele einer ganzen Reihe von Adaptionen zu nennen, die in den allermeisten Fällen ein überzeugendes klangliches Erlebnis liefern.
Aber Mahlers 9. Sinfonie, ein derart komplexes Riesenwerk auf der Orgel – kann das funktionieren? Katrin und Ralf Bibiella jedenfalls sind davon überzeugt und präsentieren ihre eigene Bearbeitung für vier Hände und vier Füße. Sie nutzen die 2006 von Gerald Woehl erbaute Orgel der Katharinenkirche in Oppenheim (III + P/58), in der sich noch etliche Register von 1871 aus der Werkstatt Eberhard Friedrich Walcker befinden. Ein fantastisches Instrument, dessen Ressourcen hinsichtlich der Realisierung einer höchst filigranen und extrem differenziert ausgearbeiteten Orchesterpartitur keine Wünsche offen lassen. Klang gibt es hier in allen schillernden Farben und in dynamisch großer Breite.
Gar kein Zweifel besteht daran, dass Katrin und Ralf Bibiella hier etwas Großartiges gelungen ist! Mit schier endloser Akribie erwecken sie Gustav Mahlers Fin-de-siècle-Solitär zu einem Leben auf der Orgel. Nicht nur die Orgelbearbeitung als solche wird immense Arbeit gewesen sein, sondern auch die spieltechnische Umsetzung und Einspielung auf den beiden CDs. Damit erweitern sie das sinfonische Repertoire um ein wichtiges Werk des 20. Jahrhunderts. Chapeau!
Wer nicht nur Orgelmusik liebt, sondern auch originäre Sinfonik à la Mahler, am besten live im Konzerthaus und mit einem Spitzenorchester, wird vielleicht nicht ganz glücklich mit dieser Orgelversion. Das liegt weder an den Interpreten noch an der von ihnen genutzten Orgel. Es liegt am Werk, das doch letztlich auf noch mehr Nuancen angewiesen ist, als ein prinzipiell etwas steifer Klang von Orgelpfeifen bieten kann, so sehr er auch von Takt zu Takt seine Farben changiert (Setzerkombinationen sei Dank!). Die Sämigkeit der tiefen und die Brillanz der hohen „echten“ Orchesterstreicher, die Attacke der Blechbläser, das charakteristische „Pling“ der Harfen, der Balsam der Holzbläser – da gerät die Orgel, wenn man ehrlich ist, doch hier und da an ihre Grenzen und die Musik büßt an Expressivität, Intensität und Lebendigkeit ein, spürbar vor allem im ausgedehnten Adagio-Finale. Das resignativ Schwelgerische, die Abschiedsstimmung …
Gleichwohl ist diese Einspielung ein großer Wurf. Was die beiden InterpretInnen sowohl mental als auch „handwerklich“ leisten, ist nicht hoch genug zu loben. Gleiches gilt für die Aufnahmetechnik und das informative Booklet u. a. mit einem ausführlichen Werkkommentar, Informationen zum Instrument und (!) Gedichten von Katrin Bibiella, mit denen sie Mahlers Musik lyrisch paraphrasiert.
Christoph Schulte im Walde