Werke von August Wilhelm Bach, Carl Loewe, Mendelssohn, Robert Dornheckter, Friedrich Wilhelm Franke, Rudolf Looks und Georg Riemenschneider

Stralsunder Romantik

Matthias Pech an der Buchholz-Orgel der Nikolaikirche in Stralsund

Verlag/Label: Querstand VKJK 2104 (2021)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2022/02 , Seite 62

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Der schwindelerregende Reichtum an historischer und modernisierter Orgelsubstanz in der kleinen Hansestadt Stralsund lädt Musikfreunde aus aller Welt zum Staunen ein. Neben der aufwändig restaurierten Stellwagen-Orgel der St. Marienkirche (in der auch ein kleines Instrument der Firma Grüneberg von 1906 steht) und der erst kürzlich nach historischen Vorbildern wiedererstandenen Orgel von Wegscheider in der St. Jakobi-Kirche ist das Instrument von Carl August Buchholz (III/56) das Aushängeschild des 19. Jahrhunderts: Die Orgel – heute eine der größten erhaltenen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – wurde 1841 gefertigt und von Wegscheider und Klais zwischen 2003 und 2006 restauriert und rekonstruiert, so dass ihr schlüssiges Klangbild insbesondere die Musik ihrer Zeit wiederzugeben vermag. Die Auswahl, die Matthias Pech, Kirchenmusiker an der Rats- und Pfarrkirche St. Nikolai, für seine Einspielung getroffen hat, dokumentiert dieses Klangbild in besonders überzeugender Weise.
Dabei entstand die Programm­idee nach Auskunft des Organisten nach interessanten Archivfunden, vor allem in Stralsund: Immerhin fünf der sieben hier vertretenen Komponisten stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Stralsunder Orgellandschaft. So wurde der Berliner August Wilhelm Bach als Sachverständiger bei der Planung und als Gutachter he­rangezogen; auf der Aufnahme vertreten ist er mit einem eröffnenden, klassisch gehaltenen Paar Präludium und Fuge g-Moll, kombiniert mit einem selten gespielten Frühwerk seines Schülers, den Variationen über „Wie groß ist des Allmächt’gen Güte“ des 14-jährigen Felix Mendelssohn Bartholdy – gut zu vergleichen mit dem kleinen Variationszyklus seines Zeitgenossen Carl Loewe zu „Mach’s mit mir, Gott, nach deiner Güt“ (hier mit dem original erhaltenen Clairon 4’ in der Altlage im Pedal). Robert Johann Theodor Dornheckter wurde am Lehrerseminar im nahen Franzburg ausgebildet und war ab 1871 Organist an St. Nikolai; sein hier neben anderen Postludien präsentierter Trauermarsch ist ein klangvolles Dokument der Vielfalt von Choralbearbeitungen der Zeit. Der in Stralsund geborene Georg Riemenschneider machte sich einen Namen vor allem in Breslau als Opern- und Orchesterkomponist; entsprechend farbig klingen seine Orgelwerke – nach dem Fin de siècle. Friedrich Wilhelm Franke und Rudolf Looks schließlich waren nacheinander Organisten an St. Jakobi – und trotz des geringen Altersunterschieds Lehrer und Schüler. Dass Looks aber darüber hinaus auch bei Rheinberger in München studiert hat, ist seinen schönen Sätzen der gemeinsamen Sammlung Cantus-Firmus-Praeludien von 1928 anzumerken: Sie sind ein besonderer Schatz dieser Einspielung und eine echte Entdeckung!
Die Aufnahme, die einen guten Eindruck der Raumsituation bei gleichzeitig hoher Transparenz der Register vermittelt, wird begleitet von einer Reihe informativer Textbeiträge und detaillierten Registrierungshinweisen, so dass die CD zugleich auch als Orgelführer genutzt werden kann.

Birger Petersen