Pärt, Arvo

Spiegel im Spiegel (1978)

Einrichtung für Orgel von Giovanni Battista Mazza für Orgel (2010)

Verlag/Label: Universal Edition Wien, UE 35016
erschienen in: organ 2012/01 , Seite 60

Über den estnischen Komponisten Arvo Pärt (geb. 1935) ist mit Blick auf seinen vielfach als  „esoterisch“ oder seicht beurteilten Personalstil viel geschrieben worden. Ungeachtet dieser sehr emotional, manchmal sogar aggressiv geführten Debatte bleibt es eine unbestreitbare Tatsache, dass Pärts Musik viele Menschen bewegt und anrührt. Einige seiner Werke, wie das 1977 entstandene Fratres, existieren aufgrund ihrer Beliebtheit beim Pub­likum in zahlreichen instrumentalen Besetzungsvarianten. Ähnlich verhält es sich auch mit Spiegel im Spiegel, 1978 ursprünglich für Violine und Klavier geschrieben. Nach etlichen Fassungen für andere Duo-Kombinationen hat nun Giovanni Battista Mazza eine Bearbeitung für Orgel solo vorgelegt.
Bei diesem Werk, das sogar in mehrere Kino- und Fernsehfilme Eingang gefunden hat, benutzt Pärt seine nach dem lateinischen Wort für Klingel oder Schelle benannte Technik des „Tintinnabuli-Stils“ für Dreiklangstrukturen, die hier ursprünglich dem Klavier zugedacht sind, sowie melodische Strukturen, die der Violinpart übernimmt. Die Melodiestimme ist um einen zentralen Ton angelegt und führt von diesem in Form eines Chiasmus wieder fort, so dass sich zwei symmetrische Achsen ergeben, die sich doppelt spiegeln lassen. Hiermit erklärt sich der Titel des Werks. Diese Konstruktionsmodelle, auch die in den Dreiklängen des Klaviers enthaltenen Prinzipien, sind wegen der „Langsamkeit“ des Ablaufs bei einer Spielzeit von über acht Minuten kaum hörbar. Dies ist auch nicht weiter schlimm ist, da die Musik – ein vorurteilsfreies Sich-darauf-einlassen-Können vorausgesetzt – ihre Wirkung aus sich entfaltet.
Mazza transponiert, wohl auch wegen des gegenüber dem Klavier beschränkten Tastenumfangs der Orgel, das Stück von F-Dur nach C-Dur. Den erforderlichen Ambitus erreicht er durch entsprechende Registration; die Violinstimme verlegt er dabei in das Pedal (mit 4’). Es erfordert ein gewisses Fingerspitzengefühl bei der Registrierung und ebenso ein entsprechendes Instrument, damit der glockenartige Klavierton und die zarten, langen Geigentöne in ihrer ursprünglichen Wirkung einigermaßen adäquat rea­lisiert werden können.
Wer das Stück ernst nimmt und mit einer ebensolchen inneren Einstellung der Ernsthaftigkeit interpretiert, wird an entsprechendem Ort die intendierte Wirkung nicht verfehlen. Als Prima-Vista-Übung eignet sich die Bearbeitung von Pärts Spiegel im Spiegel für Orgel sicher nicht.

Christian von Blohn