Franz Liszt
Sonate h-Moll
nach der Klaviersonate bearbeitet für Orgel von Andreas Rothkopf
Gerade erst war in organ zu lesen, wie ambitionierte Organisten mit ebensolchen Orgelbauern und Programmierern Jahrhunderte alte Gesetzmäßigkeiten des Orgelbaus außer Kraft setzen wollen. Diejenigen, die unbedingt an der mechanischen Traktur festhalten wollen, experimentieren an winddynamischen Systemen, andere versuchen mithilfe aufwändiger Elektronik die unter dem Einfluss der Orgelbewegung lange verpönte elektrische Traktur zu rehabilitieren und so zu trimmen, dass sie endlich mit der Anschlagsdynamik des Klaviers „mithalten“ kann.
Über ein derartiges regressives Ansinnen wäre Franz Liszt vermutlich mit einem generösen Schmunzeln hinweggegangen. Gerade der gefeiertste Klaviervirtuose seiner Zeit kannte selbst nie eine Konkurrenz von Klavier und Orgel. Er selbst trachtete danach, „dass die ausdrucksvollere Orgeltastatur [!] den natürlichen Weg zur Entwicklung des Klaviers“ ebnen würde, sah er doch in der Orgel ein durchaus adäquates Instrument, seinem steten Verlangen nach orchestralen Klangfarben und größtmöglichem Ausdruck nachzukommen.
Der an der Saarbrücker Musikhochschule lehrende Organist und Pianist Andreas Rothkopf scheint es ganz mit Liszt zu halten. Und so kommt er Liszts Verlangen nach einem orchestralen und an Farbnuancen reichen Orgelklang mit vorliegender Bearbeitung der großartigen h-Moll-Klaviersonate auf absolut überzeugende Weise nach. Im Vorwort skizziert der Bearbeiter kurz den Entwicklungsprozess: wie er von der anfänglich modifizierten Klavierstimme erst im Laufe mehrerer konzertanter Aufführungen zu einer mehr und mehr orgelgemäßen Klangeinrichtung fand, ohne dabei die Liszt’sche Basis der originalen Klavierpartitur je ungebührlich außer Acht zu lassen.
Rothkopfs Bearbeitung bietet somit weitaus mehr als lediglich die, wie er schreibt, „pragmatische Anpassung an die Möglichkeiten eines alternativen Instruments“. Im Gegensatz zur Klaviervorlage etwa könne eine große, entsprechend disponierte Orgel in ihrer orchestralen Dimension die Charaktere der einzelnen Stimmen mitunter klarer herausstellen, individueller beleuchten, ja sogar in ein ganz neues Licht tauchen. Mit diesem Ansatz ist die Bearbeitung mehr nur als bloße „Trans-Skription“: Sie bietet eine Art von Transformation, ja Transfiguration hin zu einer neuen, eigenständigen Dimension, die am Ende durchaus gleichberechtigt neben dem Original zu stehen vermag.
So wie Liszts h-Moll-Sonate als ein (einsamer) Gipfel hochalpiner Klavierlandschaften hervorragt, so werden dieser Bearbeitung nur die Besten ihrer Zunft gewachsen sein. Antrainiertes technisches Können allein wird zur befriedigenden Wiedergabe kaum hinreichen. Vielmehr ist hier das musikalische Gestaltungspotenzial einer menschlich wie intellektuell gereiften Künstlerpersönlichkeit gefragt. Andernfalls wird die Wiedergabe der Bearbeitung am Ende zur farblosen Persiflage auf der Orgel. – Mit der für Schott Music obligatorisch hohen Druckqualität wird der Mainzer Traditionsverlag mit dieser rundum gelungenen – und zugleich lang ersehnten – meisterlichen Edition erneut seinem hohen Standard mehr als gerecht. Ganz einfach exzellent!
Wolfgang Valerius