Werke von Franz Liszt, Gabierl Fuaré, Émile Paladilhe, Claude Debussy, Hugo Wolf, Max Reger und César Franck

Soleils couchants

Louis-Noël Bestion de Camboulas an der Cavaillé-Coll-Orgel in der Abtei Royaumont (Frankreich)

Verlag/Label: harmonia mundi HMN 916113 (2019)
erschienen in: organ – Journal für die Orgel 2019/02 , Seite 62

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Man schare um einen Organisten bei untergehender Sonne („Soleils couchants“) eine Sopranistin (Eugénie Lefebvre), einen Bariton (Éti­enne Bazola), einen Bratscher (Adrien LaMarca) und eine Harfenistin (Lucie Berthomier) … und es entsteht ein Sammelsurium – nein, das wäre zu despektierlich – es entsteht ein Kaleidoskop an köstlich romantisch-impressionistischer Mu­­sik von Liszt über Max Reger, Hugo Wolf, César Franck, Gabriel Fauré, Nadia Boulanger bis Claude Debussy.
So ist es in der Tat; man mag diese „Komposition“ zunächst beliebig nennen, wenn sich dabei die unterschiedlichsten Werke tummeln
– Klavier, Kammermusik, Lieder bis hin zu Orchesterbearbeitungen (Liszt: Orpheus mit Orgel und Viola). Jedoch zieht sich gleichsam als roter Faden der Klang der überaus farbigen Cavaillé-Coll-Salonorgel (III/P, 44) mit ihren warmen Zungenstimmen und der 32’-Soubasse-Basis hindurch. Sie glänzt als grundierendes Element (Liszt: Romance oubliée mit melodischer Bratsche), als Begleitung der Lieder und Gesänge (Wolf, Reger, Fauré, Boulanger), als Orchester- bzw. Klavier-Aushilfe (Debussy: Deux Danses für Harfe und Streicher sowie Clair de lune) und als faszinierendes Solo-Instrument (Franck: Choral a-Moll). Kaum eine deutsche Orgel tönt in so integrativen Zungenfarben. Ein Leckerbissen!
Der inspirierende CD-Titel ist einem Gedicht von Paul Verlaine entlehnt, das Nadia Boulanger vertont hat und das selbstverständlich auf dieser Silberscheibe erklingt. Weitere Gesänge gesellen sich hinzu, so das demütige Gebet von Eduard Mörike und Hugo Wolf oder L’horizon chimerique von Fauré. Die beiden Gesangsstimmen passen mit ihrem unaufdringlichen Timbre und ihrem emotionalen Stil wunderbar zur Gesamtkonzeption.
Das Beiheft nennt (französisch und englisch) die Texte der Lieder, erzählt von den Werken, stellt die Interpreten vor – und natürlich die Orgel: 1864 für die Zisterzienser-Abtei Royaument (ca. 30 Kilometer nördlich von Paris) erbaut, die schon manchen Filmen als Kulisse diente. Auf einigen Seiten wurde leider weiß auf schwarz gedruckt, was die Lesbarkeit dramatisch einschränkt. Die umgebende Papp-Hülle (Plastikvermeidung?) bietet das Heftchen in der ersten Tasche, in der zweiten die CD.
Ein radikaler Wechsel zwischen zwei Stücken wirkt verblüffend: Man hat dem zarten Reger-Lied (Ich sehe dich in tausend Bildern) hingebungsvoll gelauscht – und wird dann jäh herausgerissen, wenn der Organist unvermittelt und ohne größere Zäsur die forte-blitzenden Anfangsfanfaren von Francks Choral a-Moll herausschleudert.
Doch sonst ist es eine Wohlfühl-CD in bestem Sinne – emotional, romantisch, träumerisch.
Klaus Uwe Ludwig