Zsigmund Szathmáry
Silberklänge
für die Silbermann-Orgel in der St. Georgenkirche Rötha
Es ist eine originelle, sehr zu lobende Idee der Veranstalter des XXII. Internationalen Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerbs Leipzig 2020, im Fach Orgel ein Pflichtstück aus der Moderne für die zweite Runde anzusetzen. Die Wahl fiel auf Zsigmond Szathmáry, der den Auftrag erhielt, für die Orgel von Gottfried Silbermann in St. Georgen zu Rötha – wo die Auswahlprüfung stattfinden soll – ein Werk zu schreiben. Damit hatte man nicht nur einen profilierten Komponisten unserer Zeit ausgewählt, sondern einen Tonsetzer, der zeitlebens barocken Orgeln inspiriert worden ist.
Leider kann dieser Wettbewerb durch die derzeitigen Wirren nicht stattfinden. Aber Szathmárys Auftragskomposition mit einer Spieldauer von etwa acht Minuten erschien dennoch im Druck und steht nun der Orgelwelt zur Verfügung. Von der ersten Note an spürt man den versierten Organisten, der sein Opus der 1721 erbauten Silbermann-Orgel absolut auf den Leib geschrieben hat. Die Edition wird demzufolge mit der Disposition eröffnet. Auf ihr basiert das gesamte Stück, denn Szathmáry hat detailliert seine Registrieranweisungen notiert. Das stellt nicht nur eine freundliche Handreichung des Autors dar, sondern ist vielmehr substanzieller Bestandteil des Werks und unabdingbar notwendig, um die Silberklänge, das heißt die sehr farbigen, oft auch bizarren, dann und wann martialisch auftreten Klangkombinationen zum Ausdruck zu bringen.
Da die Röthaer Orgel mit II/P/ 23 eine recht überschaubare Disposition aufweist, stellt es kaum ein Problem dar, an jeder anderen Orgel mit mechanischer (!) Registertraktur die klanglichen Intentionen des Komponisten umzusetzen, zumal der klassische Silbermann’sche Registerfundes nahezu alle zum Standard einer Orgel gehörenden Stimmen vereint.
Die Komposition ist mit ihren im Tempo differenzierten und in der Rhythmik abgestuften Abschnitten klar strukturiert. Sie fasziniert durch üppige Akkordfolgen, für die die zehn Finger gerade so ausreichen, oder durch quintbetonte Kaskaden im Oberwerk, dargestellt mit Quintadena 8’ und Nasat 3’ sowie im Verlauf mit weiteren Aliquoten, kontrastiert von der Trommete 8’ des Pedals und einem nachfolgenden, brachial mit Doppelpedal hämmernden Ausbruch im dreifachen Forte. Man kann nur hoffen, dass diese Passagen bei der einen oder anderen historischen Orgel nicht der Windstößigkeit zum Opfer fallen.
Ab und zu glaubt man im Verlauf des Stücks, dass es zwischen den Tönen e2 in den Manualen und dem großen Es im Pedal pendelt. Doch das wäre viel zu kurz gegriffen für den Ideenreichtum Szathmárys, der sich sowohl im vielschichtigen Geflecht des Werks als auch in den mannigfaltigen Sphären der Register manifestiert.
Die „Silberklänge“ benötigen SpielerInnen, die im Umgang mit der Avantgarde geschult sind und außerdem mindestens einen Registranten zur Verfügung haben. Der Komposition ist zu wünschen, dass sie angesichts des in unserer Zeit leider zunehmenden Desinteresses an derartiger Musik die nötige Resonanz nicht nur bei dem auf 2021 verschobenen Wettbewerb findet.
Felix Friedrich