Jean-Marie Plum
Sämtliche Orgelwerke, Vol. 1 und 2
hg. von Otto Depenheuer
Der belgische Komponist Jean-Marie Plum (1899–1944) gehört sicherlich zu den fleißigsten Komponisten der französisch-belgischen Szene in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – aber auch zu den großen Unbekannten: Seine Kompositionen liegen zwar entweder in eher entlegenen Erstausgaben oder in gelegentlichen Sammelbänden seiner Zeitgenossen bzw. neueren Datums vor, nicht aber in einer modernen Gesamtausgabe. Der in Lüttich geborene Plum war Mitglied des Serviten-Ordens, in dessen Kirche in seiner Heimatstadt er bis zu seinem frühen Tod den Orgeldienst versah. Sein umfangreiches Œuvre umfasst neben einigen religiösen Vokalkompositionen vor allem Orgelwerke – ein Repertoire, das der junge Plum bereits im Alter von zwanzig Jahren belieferte und dem bis zum Schluss sein Hauptaugenmerk galt.
Dass sich Otto Depenheuer in der auch sonst immer gut bestückten Reihe „édition bon(n)orgue“ in des Verlags Dohr jetzt dem Schaffen Jean-Marie Plums angenommen hat, ist sehr zu begrüßen. Unter diesen in den ersten beiden Bänden publizierten Kompositionen finden sich in gleichem Maß choralgebundene wie freie Werke, wobei die meisten für den gottesdienstlichen Gebrauch konzipiert sind und auch weiterhin Verwendung finden können. Die Ausgabe erfolgte – wie in dieser Reihe gewohnt – auf grafisch hohem Niveau. Die meisten Orgelwerke Plums sind, wie in der franko-belgischen Tradition üblich, „pour orgue ou harmonium“ konzipiert und auf zwei Systemen notiert; die Entscheidung des Herausgebers, auch über die eindeutigen Pedalangaben des Komponisten (der das Pedal in der Regel im Notentext in kleinerer Notenschrift angibt) hinaus das Notenbild vielfach auf drei Systeme zu erweitern, ist sehr praxisnah und lesefreundlich. Offensichtliche Schreib- oder Druckfehler wurden stillschweigend korrigiert; dabei ist einzuräumen, dass gelegentlich Unklarheiten bestehen, mit welchen Versetzungszeichen zu rechnen ist – insbesondere in Kompositionen ambitionierterer Satzart, aber auch etwa in den Trois Pièces op. 30 (1928): Nicht nur Hilfsvorzeichen wären hin und wieder vonnöten gewesen.
Die Kompositionen setzen ein farbenreiches Instrument voraus, sind aber auch an kleineren Orgeln und vielfach auf dem Harmonium aufführbar. Dass die Vielzahl der Artikulationshinweise, die Plum in der Regel seinen Kompositionen beigegeben hat, vom Herausgeber auf ein Minimum reduziert wurde, mag die Klarheit des Notenbilds begünstigen, ist aber trotzdem – auch und nicht zuletzt angesichts der Möglichkeiten, die vor allem die Interpretation an einem historisch angemessenen Harmonium bietet – bedauerlich.
Die hier begonnene und auf sieben Bände angelegte Gesamtausgabe ermöglicht nicht nur die Begegnung mit einem lohnenden Repertoire aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sondern zugleich auch eine eindrucksvolle Übersicht über die Entwicklung des Stils und der verwendeten Satztechniken in den vielen Kompositionen Jean-Marie Plums.
Birger Petersen