Romantische Martinesque

Matthias Roth an der Steinmeyer-Orgel (1894) in St. Martin, Bamberg

Verlag/Label: orgelmusik zeitlos, martinesque GbR, Bamberg (www.bamberger-martinesque.de)
erschienen in: organ – Journal für die Orgel 2020/03 , Seite 61

4 von 5 Pfeifen

Diese CD reicht weit über jene Orgelporträts hinaus, die sich Gemeinden als Imageträger gönnen: Es handelt sich um die Klangdokumentation der größten in Bayern erhaltenen mechanischen zweimanualigen Steinmeyer-Orgel mit der meisten Originalsubstanz, 1894 mit sage und schreibe 38 Registern auf nur zwei Manualen erbaut. Die Verantwortlichen setzten für die Tontraktur lieber auf die bewährte Mechanik mit Barkermaschinen, als mit der noch in den Kinderschuhen steckenden Pneumatik Risiken einzugehen; diese Technik wurde aber hier bereits für die Registertraktur ausprobiert. Schließlich verfügt die Orgel über einen seltenen Kurbelantrieb für die Balgbetätigung.
St. Martin in Bamberg beherbergt somit ein klangliches und technisches Denkmal, das 1999 von Hermann Eule Orgelbau GmbH restauriert wurde und vor allem durch seine Authentizität besticht. Indirekt nahm kein Geringerer als Joseph Gabriel Rheinberger auf die Disposition Einfluss, indem er diesen großrahmigen zweimanualigen Orgeltyp als vorbildlich bewertete; bei der Weihe in Bamberg erklangen 1894 neben Bach auch Werke von ihm.
Umso erstaunlicher ist daher, dass Matthias Roth eben diesen Komponisten ausspart. Dafür entschädigt reichlich die Farbenvielfalt bei Bachs in mustergültiger Orchestersprache eingerichteter Passacaglia. Mit Genuss hört man auch die
vielen Nuancen in einer weiteren, archaisierenden Passacaglia des Erlanger Universitäts-Musikdirektors Johann Georg Herzog sowie Gus­tav Adolf Merkels weniger oft gespielte Sonate f-Moll; in ihrem zweiten Satz kommt die durchschlagende Papprohr-Klarinette von 1938 hinreißend schön zur Geltung. Repertoire-Erweiterungen mit Lokalkolorit sind außerdem drei Choralvorspiele in klassischer Manier des Franken Elias Oechsler (1850–1917). Ein katholisches Finale bilden die süffigen Variationen über „Ein Haus voll Glorie schauet“ des Rheinländers Carl Sattler (1874–1938).
Matthias Roth geht alles mit jener Ruhe an, die Musik, Raum und nicht zuletzt die Traktur gebieten. Dadurch kommen die durchdachten Registrierungen (Labialklarinette bei Merkel) hervorragend zur Geltung; ihnen hätte man im Booklet gerne etwas Platz widmen können. – Das Pedalthema und der erste Akkord von Bachs Passacaglia scheinen unter ungünstigem Wind zu leiden; dies sollte jedoch niemand davon abhalten, diese instruktive Einspielung (mehrmals) abzuhören.

Markus Zimmermann