Rejoice!
Werke von Charles Villiers Stanford, Arvo Pärt, James MacMillan, Herbert Howells, Olivier Messiaen, Charles Ives und Benjamin Britten
Wer einmal einen der traditionellen Evensongs in irgendeiner der vielen imposanten Kathedralen Großbritanniens selbst live miterlebt hat, wird sich noch lange, wohl sehr lange, an ein solches gesungenes liturgisches Abendgebet zurückerinnern. Englische Kathedralchöre klassisch mit Knabensopranen und Altstimmen , dazu eine (oder mehrere) den Raum satt und orchestral buchstäblich durchflutende Kathedralorgel(n) und im Idealfall ein schwelgerisch-süffiges hoch- bzw. nachromantisches, typisch englisches Repertoire: eine solche Mélange besitzt das Potenzial, die Freunde der britischen Musica Sacra überglücklich zu machen
Was auch für die vorliegende CD des Bachchors Salzburg zutrifft trotz der einschränkenden Tatsache, dass dies freilich kein britischer Chor ist und hier auch keine Knaben, sondern Frauen im Sopran und Alt singen.
Der Salzburger Bachchor widmet sich dem von Herbert Howells (18921983) komponierten Magnificat und seinem Nunc dimittis, also jenen beiden Zentralbestandteilen eines klassischen Evensongs, welche jeweils auf die beiden Schriftlesungen folgen und für die ganze Generationen britischer Komponisten eine Fülle an vokalem Material geliefert haben: Howells erwartungsgemäß! besonders süffig.
Gleiches gilt für Anthem For Lo, I raiseup des Iren Charles Villiers Stanford (18521924). In dieser postromantischen Klangwelt fühlt sich der von Alois Glaßner (geb. 1963) angeführte Chor spürbar zuhause, ebenso in den ästhetisch ganz andersartigen Gefilden eines Benjamin Britten (191376) und dessen die Schöpfung preisender Kantate Rejoice in the Lamb. Hier erweisen sich die Stimmen vor allem an jenen Stellen gut trainiert, wo es um ein chorisch perfekt auszuführendes presto parlando geht (etwa in der Passage Bless God in the dance).
Dynamisch vermögen die rund vierzig Vokalisten eine enorme Bandbreite abzurufen vom zartesten Pianissimo bis zum monumentalen Fortissimo, exemplarisch etwa in Charles Ives Psalm 135 (Halleluja! Lobet den Namen des Herrn). Hier treten Trompete, Posaune und Trommeln zu Chor und großer Eule-Konzertorgel hinzu. Und Ives, stets für kompositorische Überraschungen gut, würzt sein Gotteslob zudem pfiffig mit kess stolpernder Rhythmik. Ganz ruhig dagegen fließt in engelhafter Anmut Olivier Messiaens O sacrum convivium. Einen Wechsel von Ruhe und Bewegung finden wir hingegen in Beatus Vir (for chorus SSATBB and organ, 1983) des schottischen Komponisten James MacMillan (geb. 1959), das der Salzburger Bachchor hier zugleich als CD-Ersteinspielung präsentiert.
Aufnahmeort war für diese Einspielung wie gesagt der Große Saal des Salzburger Mozarteums mit seiner ausgezeichneten Konzert-Orgel (Hermann Eule, Bautzen/D, 2010, Opus 657: 51/III/P), die Wolfgang Kogert, Organist der traditionsreichen Wiener Hofburgkapelle und Orgeldozent am Mozarteum, absolut stimmig dem Chor an die Seite stellt. Was diesem trocken klingenden, weil nachhallarmen Konzertsaal naturgemäß abgeht (abgehen muss), ist ein kathedrales Gefühl des Erhabenen, das man sich für die hier dokumentierten Werke freilich wünscht. Noch etwas mehr (künstlicher) Raumklang, ein wenig mehr Resonanz im Nachhall, vor allem für die spätromantischen Stücke, aber ebenso für Messiaen, wären wünschenswert gewesen
Gleichwohl ist diese Produktion ein profunder Beleg für die Vielseitigkeit des Salzburger Bachchors und seine sängerisch-gestalterische Kompetenz im Hinblick auf ganz unterschiedliche stilistische Herausforderungen.
Christoph Schulte im Walde