Rejoice!

Werke von Charles Villiers Stanford, Arvo Pärt, James MacMillan, Herbert Howells, Olivier Messiaen, Charles Ives und Benjamin Britten

Verlag/Label: Gramola 99156 (2018)
erschienen in: organ 2018/02 , Seite 62

Wer einmal einen der traditionellen „Evensongs“ in irgendeiner der vielen imposanten Kathedralen Großbritanniens selbst live miterlebt hat, wird sich noch lange, wohl sehr lange, an ein solches gesungenes liturgisches Abendgebet zurückerinnern. Englische Kathedralchöre – klassisch mit Knabensopranen und Altstimmen –, dazu eine (oder mehrere) den Raum satt und orchestral buchstäblich durchflutende Kathedralorgel(n) und im Idealfall ein schwelgerisch-süffiges hoch- bzw. nachromantisches, typisch englisches Repertoire: eine solche Mélange besitzt das Potenzial, die Freunde der britischen Musica Sacra überglücklich zu machen … Was auch für die vorliegende CD des Bachchors Salzburg zutrifft – trotz der einschränkenden Tatsache, dass dies freilich kein britischer Chor ist und hier auch keine Knaben, sondern Frauen im Sopran und Alt singen.
Der Salzburger Bachchor widmet sich dem von Herbert Howells (1892–1983) komponierten Magni­ficat und seinem Nunc dimittis, also jenen beiden Zentralbestandteilen eines klassischen Evensongs, welche jeweils auf die beiden Schrift­lesungen folgen und für die ganze Generationen britischer Kompo­nis­ten eine Fülle an vokalem Material geliefert haben: Howells – erwartungsgemäß! – besonders süffig.
Gleiches gilt für Anthem For Lo, I raiseup des Iren Charles Villiers Stanford (1852–1924). In dieser postromantischen Klangwelt fühlt sich der von Alois Glaßner (geb. 1963) angeführte Chor spürbar zuhause, ebenso in den ästhetisch ganz andersartigen Gefilden eines Benjamin Britten (1913–76) und dessen die Schöpfung preisender Kantate Rejoice in the Lamb. Hier erweisen sich die Stimmen vor allem an jenen Stellen gut trainiert, wo es um ein chorisch perfekt auszuführendes „presto parlando“ geht (etwa in der Passage „Bless God in the dance“).
Dynamisch vermögen die rund vierzig Vokalisten eine enorme Bandbreite abzurufen vom zartes­ten Pianissimo bis zum monumentalen Fortissimo, exemplarisch etwa in Charles Ives’ Psalm 135 („Halleluja! Lobet den Namen des Herrn“). Hier treten Trompete, Posaune und Trommeln zu Chor und großer Eule-Konzertorgel hinzu. Und Ives, stets für kompositorische Überraschungen gut, würzt sein Gotteslob zudem pfiffig mit kess „stolpernder“ Rhythmik. Ganz ruhig dagegen fließt in engelhafter Anmut Olivier Messiaens O sacrum convivium. Einen Wechsel von Ruhe und Bewegung finden wir hingegen in Beatus Vir (for chorus SSATBB and organ, 1983) des schottischen Komponis­ten James MacMillan (geb. 1959), das der Salzburger Bachchor hier zugleich als CD-Ersteinspielung präsentiert.
Aufnahmeort war für diese Einspielung wie gesagt der Große Saal des Salzburger Mozarteums mit seiner ausgezeichneten Konzert-Orgel (Hermann Eule, Bautzen/D, 2010, Opus 657: 51/III/P), die Wolfgang Kogert, Organist der traditionsreichen Wiener Hofburgkapelle und Orgeldozent am Mozarteum, absolut stimmig dem Chor an die Seite stellt. Was diesem „trocken“ klingenden, weil nachhallarmen Konzertsaal naturgemäß abgeht (abgehen muss), ist ein „kathedrales“ Gefühl des Erhabenen, das man sich für die hier dokumentierten Werke freilich wünscht. Noch etwas mehr (künstlicher) Raumklang, ein wenig mehr Resonanz im Nachhall, vor allem für die spätromantischen Stü­cke, aber ebenso für Messiaen, wären wünschenswert gewesen … Gleichwohl ist diese Produktion ein profunder Beleg für die Vielseitigkeit des Salzburger Bachchors und seine sängerisch-gestalterische Kompetenz im Hinblick auf ganz unterschiedliche stilistische Herausforderungen.

Christoph Schulte im Walde