Kai Schreiber

Regers Memento für Orgel op. 13 (2013)

Verlag/Label: Edition Merseburger 2840
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2018/03 , Seite 57

Es nötigt schon Respekt ab, wenn man sich – wie bei dieser Noten­edition von Kai Schreiber geschehen – dem kompakt strukturierten und harmonisch überbordenden Schaffen Max Regers gekonnt von einer ganz lockeren, unbekümmerten, fast minimalistischen Art und Weise nähert. Vielleicht ist das aber auch die einzig sinnvolle Konzep­tion, ein Memento an jenen Komponisten mit seinen gigantisch angelegten Tonschöpfungen zu richten.
Kai Schreibers Orgelstück stellt sich im Prinzip als ein auf die Spitze getriebenes Ostinato dar, indem er die ersten acht Töne aus Regers Fantasie op. 135b, dort als acht 32stel-Noten notiert, als rhythmisch aufgelockerte und auf Achtel- bzw. Sechzehntel-Werte reduzierte Gruppen benutzt und durch das gesamte Stück führt. Damit erhält diese zum Ostinato mutierte Tonfolge einen jazzigen, fast popartig swingenden Anstrich. Zusätzlich provoziert Schreiber mittels eines bewusst in sich instabil gehaltenen Metrums. Mal sind es perfekte Drei- oder Viervierteltakte, mal weisen sie einen zusätzlichen Achtel- oder Sechzehntel-Notenwert auf. Insofern muss man sich als Spieler in diese spezielle rhythmische Struktur erst einlesen und auch darauf einlassen.
Zudem befindet sich die ostinate Kopffigur ständig in Wandlung. Sie startet zunächst einstimmig, erhält aber im Verlauf einer großangelegten dynamischen Steigerung bis zum dreifachen Forte deftige Akkordausfüllungen. Dazu kommt eine ab und zu in den Vordergrund tretende Bassfigur im Pedal mit dem ersten Fugenthema aus Opus 135b. Zusätzlich tauchen in der linken Hand die markanten Eingangsakkorde von Regers Choralfantasie Wachet auf, ruft uns die Stimme op. 52/2 auf, allerdings hier in d-Moll notiert. Nach üppigen Klangballungen und der wirkungsvollen Synthese dieser unterschiedlichsten thematischen Elemente mündet das Stück in eine finale, dynamisch absteigende Phase mit dem sich auflösenden und zerbröselnden ostinaten Material. Damit lässt Schreiber den Hörer fast ein wenig verdutzt zurück.
Zur Wiedergabe ist eine große sinfonische Orgel erforderlich, die – wie vom Komponisten in seiner Partitur gefordert – ein nahtloses Crescendo und Decrescendo ermöglicht. Dank eines klaren und sehr übersichtlichen Notendrucks dürfte das Studium von Kai Schreibers Memento keine unüberwind­baren Hürden aufbauen, obwohl das Stück dem Spieler schon einiges abverlangt. Es passt nicht zuletzt auch durch seinen Titel bes­tens zur Auflockerung und Abrundung in ein reines Reger-Programms.

Felix Friedrich