Werke von J. C. F. Fischer, J. S. Bach, D. Scarlatti, J. G. Walther und Michel Corrette

Pastorale

Helmut Deutsch an der J.-A.-Silbermann-Orgel der ehemaligen Prioratskirche Saint-Quirin (Frankreich)

Verlag/Label: organum classics OGM 191029 (2019)
erschienen in: organ – Journal für die Orgel 2019/04 , Seite 60

Bewertung: 5 von 5 Pfeifen

Die dem Programmkonzept dieser CD zugrunde liegende Idee ist sehr reizvoll, klug durchdacht und tragfähig, wenn es um die klangliche Vorstellung der einzigen lothringischen Orgel von Johann Andreas Silbermann geht – der gewählte Titel Pastorale ist Motto und geistvolle Motivation zugleich.
1722 wurde die der elsässischen Benediktinerabtei Marmoutier unterstellte Prioratskirche von Saint-Quirin fertiggestellt. Von Marmoutier kam daher auch der Auftrag an Johann Andreas Silbermann in Strasbourg, eine kleinere, französisch disponierte Orgel auf der Basis lediglich eines 4-Fuß-Principalregisters für Saint-Quirin zu erbauen. 1746 war die „Kammerorgel“ mit ihren 15 klingenden Stimmen vollendet und tat ihren Dienst weit über die Auflösung des Priorats 1779 und die Wirren der Französischen Revolution hinaus bis ins Jahr 1904. Erst dann musste die kleine Königin sich neuerem Zeitgeschmack beugen – die beiden Silbermann-Mixturen wurden zwei romantischen Streicherstimmen geopfert, der bald folgende Weltkrieg raubte ihr darüber hinaus noch das jugendlich gebliebene Antlitz, die originalen Pros­pektpfeifen nämlich.
Eine umfassende „Restaurierung“ um 1942 bescherte dem schönen Instrument weitere Entstellungen. Nach dem Krieg sollte es wieder zu ungeteilter Wertschätzung der „Kammerorgel“ kommen – der bedeutende Organist Michel Chapuis entdeckte die Orgel von Saint-Quirin für sich, und so konnte 1969 eine für die damalige Zeit mustergültige Restaurierung und Rekonstruktion durch den Silbermann-Experten seiner Zeit, Alfred Kern aus Strasbourg, erfolgen. Für die Zukunft ist geplant, die Orgel vollends auf ihren mutmaßlichen Originalzustand zurückzuführen.
Zurück zum Repertoire der vorliegenden Einspielung: Helmut Deutsch, Orgelprofessor in Stuttgart, hat sich klugerweise eines zu Beginn und Mitte des 18. Jahrhunderts höchst beliebten Genres bedient, der „Pastorale“ (auch „Pastorelle“ genannt). Sowohl ländliche Hirtenszenen (bisweilen mit mancherlei Pikanterie angereichert) als auch weihnachtliche Krippenszenen werden hier tonmalerisch beschrieben.
Die glückliche Verbindung von höfisch-französischer Orgelbaukunst und hörbar liebevoller Hingabe des Interpreten lassen die Werkauswahl von Johann Sebastian Bach (Pastorale BWV 590), Johann Caspar Ferdinand Fischer (Uranie), Johann Gottfried Walther (Concerto in h), Domenico Scarlatti („Pastoral“-Sonate K.513) und Michel Corrette (Noël Provençal, Carillon) als für das Instrument und dessen Ära perfekt passend erscheinen. Ausgewogene Tempi, klare Artikulation, Stilsicherheit und Spielfreude kennzeichnen das Spiel von Helmut Deutsch, der Klang der Aufnahme ist angenehm räumlich und natürlich. Es bleibt erstaunlich, zu welcher Fülle an Klangfarben diese kleine Orgel fähig ist! Das Hören dieser CD hat mir großes Vergnügen bereitet, ich empfehle sie gerne uneingeschränkt.
Christian Brembeck