Owl Night – Music for Organ by Carson Cooman: Vol. 7

Erik Simmons mit der Sample-Version („Hauptwerk“-Software) der Cavaillé-Coll-Orgel (1882–85) der Abtei Saint-Étienne in Caen (Frankreich)

Verlag/Label: Divine Art dda 25163 (2018)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2018/03 , Seite 63

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Hier begibt sich der Rezensent allzu leicht aufs Glatteis. Stimmt man, wie einschlägige US-amerikanische Fachmagazine, Lobeshymnen an, läuft man Gefahr, rasch als Promoter des Komponisten Carson Cooman etikettiert zu werden oder man disqualifiziert sich bei den Hütern der „wahren und echten Orgelkunst“ als Banause. Schreibt man einen Verriss, macht man sich, zumindest in der einschlägigen „neuen“ deutschen Orgelszene, die besonders umtriebig in Foren unterwegs ist, keine Freunde.
So bleibt letztlich der Versuch, sich dem Medium über nackte Fakten zu nähern. Und da sticht zunächst die enorm hohe Produkti­vität des 1982 geborenen Cooman ins Auge. Beim Verfassen dieser Zeilen stand auf seiner Homepage gerade Opus 1296 obenan – im Jahr 2018 waren es bis dahin allein 36 Schöpfungen für bzw. mit Orgel.
Nun sagt Quantität nicht unbedingt etwas über die Qualität aus, doch der Verdacht einer Fließband-Kompositionspraxis liegt nahe. Eben diesen Eindruck hat man auch beim Hören der CD. Alles ist in blassen Pastelltönen gehalten. Harmonisch weichgespült plätschern die Tracks wie Rinnsale dahin; einzig die Schluss­akkorde wirken ob ihrer oftmals geballten Dissonanzen manieriert, so als müsse sich Cooman beweisen, dass er ein zeitgenössischer Komponist ist. Auch die Formen sind höchst unspektakulär, mehr schulmeisterlich als wirklich inspiriert, manches wirkt gequält, wie (erste) Kontrapunkt-Versuche. Mit dieser Musik von Carson Cooman kann man schwerlich ein Instrument vorteilhaft in Szene setzen.
Ein zweiter Kritikpunkt liegt im Detail versteckt. Die Veröffentlichung suggeriert als Aufnahmeort die ehemalige Abteikirche Saint-Étienne in Caen mit ihrer wunderbaren Cavaillé-Coll-Orgel. Doch der Leser des Booklettexts erfährt dann rasch, dass es sich lediglich um die Sample-Version der Hauptwerk-Software handelt. Sieht so möglicherweise der Orgel-CD-Markt 4.0 aus? Sollte es den Anbietern der Sample-Sets nicht ein besonderes Anliegen sein, die Authentizität von Raum und Instrument durch entsprechende Lizenzen zu wahren? Was man hier konkret hört, enttäuscht auf ganzer Linie. Was auf der entsprechend ausgestatteten Heimorgel beim Üben in begrenztem Umfang überzeugen und „Spaß“ machen kann, sollte tunlichst nicht für den (kommerziellen) Audio-Markt „zweitverwertet“ werden. Nachteile entstehen so auch für Kirchengemeinden, die durch die Vermietung ihrer Orgeln Gelder für den dringenden Erhalt ihrer Instrumente akquirieren müssen.
Dazu kommt, dass die dargebotene Klangqualität bei dieser Aufnahme absolut nicht überzeugt. Zum einen klingt die Orgel in ihrer merkwürdig „digitalen“ Reinstimmung derart „unfranzösisch“, ja fast klinisch-synthetisch, dass der Klang jedweden Charme einbüßt. Zum anderen aber fehlt natürlich das „interaktive“ räumliche Klangereignis. Da sich alles in einem virtuellen, synthetischen Raum abspielt, verfügt diese Aufnahme über keinen Tiefengrund, sie hat nichts von der unvergleichlichen mystischen Aura, die viele der alten Sakralbauten – wie die grandiose mittelalterliche Abteikirche Saint-Étienne in Caen – nun mal besitzen.
Fazit: Die vorliegende CD ist eher unter der Rubrik „Demo-CD“ zu betrachten. Der möglicherweise intendierte Wunsch, sich das eine oder andere hier eingespielte Werk Coomans als gedruckte Version zuzulegen, stellte sich beim Rezensenten trotzdem nicht ein. Ärgerlich ist es aber, dass unter dem Aspekt der Dokumentation entstandene Samples weltberühmter historischer Denkmalinstrumente hier zur allverfügbaren kommerziellen Ware auf dem Fonomarkt werden, mit der man sich nach Belieben schmücken kann.

Wolfgang Valerius