Hans Fährmann (1860-1940)

Orgelwerke V

Dietrich von Knebel an der Jehmlich-Orgel der Christuskirche Dresden-Strehlen und den Jahn-Orgeln des Johannisfriedhofs und des Krematoriums Dresden-Tolkewitz

Verlag/Label: Querstand VKJK 2012 (2021)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2021/03 , Seite 62

Bewertung: 4 von 5 Orgelpfeifen

Oft entscheidet über den Erfolg einer CD-Produktion, über deren künstlerische Aussagekraft und nicht zuletzt über die Verkaufszahlen die rechte Auswahl der Orgeln, natürlich im Kontext der eingespielten Kompositionen. Bei der vorliegenden CD dürfte die Wurzel des Erfolgs im Prinzip bei den sinfonischen Orgeln spätromantischen Zuschnitts aus Hans Fährmanns Heimatstadt Dresden liegen.
Dabei ist genau genommen dieser spezielle Fundus der Instrumente in der sächsischen Metropole gar nicht so groß, denn die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg hinterließen schmerzliche Lücken. Um ganz authentisch zu sein, hätte Dietrich von Knebel die Aufnahmen an der Eule-Orgel der St. Johanniskirche in Dresden, wo Fährmann als Organist wirkte, vornehmen müssen. Doch auch diese Kirche exis­tiert nicht mehr. So fiel die gelungene Wahl auf die monumentale Orgel (1905/III/P/58) der Dresd­ner Christuskirche für die Wiedergabe der 6. Orgelsonate.
Ebenso glücklich war die Entscheidung, die introvertierten Abschieds- und Friedensgesänge Fährmanns auf zwei Orgeln einzuspielen, die es sonst wohl kaum auf eine CD geschafft hätten: die der Dresd­ner Orgelbaufirma Julius Jahn & Sohn in den beiden Feierhallen des Johannesfriedhofs (1928/II/P/15) und Krematoriums (1911/II/P/21). Insofern präsentiert Dietrich von Knebel mit diesen Instrumenten für die Orgelfreunde wahrlich zwei delikate Raritäten, zumal die Gesänge op. 66, von Fährmann größtenteils dem Andenken seiner im Ersten Weltkrieg gefallenen Schülern gewidmet, sich bestens auf den absolut grundtönig und in Knebels sensibler Registrierung fast ein wenig sphärenhaften Jahn-Orgeln im akustischen Ambiente einer Trauerhalle vorzüglich ausnehmen. Den gesamten Zyklus op. 66 mit seinen zwischen Andante, Adagio und Lento pendelnden Stücken widmete Fährmann übrigens seinem Schüler Wilhelm Petzold, der selbst Organist an der Krematoriums-Orgel war.
Zu dieser meditativen und funebren Stille der Miniaturen kontras­tiert die überbordende Sonate op. 24. Dabei spürt man absolut den musikalischen Zeitgeist, den nicht nur Max Reger oder Sigfrid Karg-Elert prägten, sondern den auch Fährmann aufsog und bediente: dichtes harmonisches und strukturelles Geflecht, permanent ambivalent changierende Tonalität und dynamisch aufgeladenes und aufrüttelndes Treiben; handwerklich perfekt in Sonatenform und Fugenschema organisiert und verpackt.
Es lohnt unbedingt, auf diese fast in Vergessenheit geratene Musik aufmerksam zu machen. Das ist das Plus der Einspielung, die sich dieser nicht einfach zu rezipierenden Musik engagiert angenommen hat. Dietrich von Knebels Interpretation wirkt absolut souverän und zuverlässig, zuweilen etwas reserviert im Verhältnis zu der hochromantischen Gemengelage jener explosiven Musik. Tonmeister Martin Fischer hat die Klangwelt der drei recht unterschiedlichen, aber dennoch stilis­tisch einheitlichen Orgeln gelungen eingefangen. Das instruktive Book­let und der hohe Repertoirewert sowie das Angebot der Orgeln machen das Besondere dieser Edition aus.

Felix Friedrich