Bach, Johann Sebastian

Orgeltranskriptionen

von Liszt, Schaab, Karg-Elert, Widor, Reger, Dupré, Schmeding, Landmann

Verlag/Label: Ars Produktion Schumacher ARS 38 109 (2012)
erschienen in: organ 2012/01 , Seite 57

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Noch immer kämpft das Genre „Orgeltranskription“ anscheinend mit dem Vorurteil des Anrüchigen. Und so führen viele Interpreten für ihr scheinbar unrühmliches Tun fast reflexhaft den großen J. S. Bach als Kron­zeugen ins Feld. So auch Martin Schmeding für seine aktuelle Einspielung: „Die Musik Johann Sebas­tian Bachs ist besonders häufig Gegenstand von Transkriptionen, ja sogar Bach selbst bearbeitete eigene Werke und die anderer Komponisten. Ein zentraler Punkt sind dabei die Einrichtungen italienischer Concerti für Cembalo oder Orgel.“ Die Auswahl der Stücke erfolgte mit Blick auf die Stumm/ Goll-Orgel von Karlsruhe-Durlach, die – so Schmeding – durch ihre barocken (Stumm), spätromantisch-deutschen (Voigt) sowie französisch-symphonischen (Goll) Klangfarben die Darstellung einer großen Bandbreite unterschiedlichster Werke ermögliche.
 Bis auf die Bearbeitungen von Robert Schaab (Schlusschor der Matthäus-Passion), Sigfrid Karg-Elert (Hirtenmusik aus dem Weihnachtsoratorium), Charles-Marie Widor („Miserere“ aus Bach’s Memento) und Arno Landmann (Chaconne) macht die Orgel für die gewählte Literatur einen guten, überzeugenden Eindruck. Satte, charakteristisch intonierte Register und ein klares, konturenreiches Klangbild verleihen etwa Liszts Einleitung und Fuge aus der Kantate „Ich hatte viel Bekümmernis“ wie auch Bachs Concerto d-Moll nach Vivaldi lupenreine Brillanz, und die von Marcel Dupré arrangierte Sinfonia BWV 29 besticht durch fulminante Opulenz. In Widors „Miserere“ vermisst man indes ob einer zu räumlichen Präsenz ebenso wie in Landmanns Chaconne-Fassung ein wenig diskreten Charme und mystische Versenkung.
 Dies mag zum Teil durch eine ungünstige Mikrofonierung bedingt sein, zum Teil aber auch durch Schmedings Spielart. Gerade bei Widor und Landmann hat man den Eindruck, dass der Interpret durch eine doch allzu barocki­sierende Spielmanier die Bearbeitungen quasi zu „retransformieren“ trachtet, dabei die von den Bearbeitern jeweils für ein bestimmtes Orgelideal intendierte Geisteshaltung leichtfertig negiert. Dessen ungeachtet ist Schmeding ein brillanter Vollblutmusiker, der mit Temperament und unbeschwerter Leichtigkeit, stets aber mit ausgesprochener Eleganz musiziert. Die Sinfonia BWV 29 verfügt über echten Drive, ohne je überhastet zu wirken, Vivaldis d-Moll-Concerto besticht durch Frische und Esprit und die von ihm selbst bearbeitete Triosonate BWV 1031 sprüht nur so vor Spielfreude. Und in der großartigen Bach-Chaconne präsentiert Schmediung spieltechnisches Virtuosentum in seiner reinsten und schönsten Form.
Dabei sind seine Interpretationen alles andere als oberflächlich oder nach billigen Effekten heischend. Schmeding weiß die Werke formal wie dramaturgisch durchdacht zu gestalten, musikalische Akzente gezielt zu setzten, ohne dabei seine Person manieriert oder gar affektiert in Szene zu setzen. Die äußere Schlichtheit seines Spiels weist ihn letztlich als wahren Musiker mit großem Profil aus.

Wolfgang Valerius