Marcel Dupré / Giles Swayne / Joseph Jongen / Frank Bridge

Orgelsonate Nr. 2; Esquisses op. 41 Nr. 1 & 2 / Riff-Raff für Orgel / Sonata Eroica op. 94 / Adagio in E

Verlag/Label: Edition Günter Hänssler Profil PH09011 (2008)
erschienen in: organ 2009/03 , Seite 58

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Das Programm der vorliegenden CD mutet jedem versierten Organisten ein gerüttelt Maß an spieltechnischen Bewährungsproben zu: Die zweite Symphonie für Orgel (op. 26) von Marcel Dupré bedeutet, wie auch dessen Deux Esquisses op. 41 (e-Moll; b-Moll), eine wahrhaftige technische tour de force des virtuosen Orgelspiels. Als einen ech­ten Klassiker der neueren frankoflämischen Orgelschule interpretiert Tobias Frank weiterhin die Sonata Eroïca op. 94 des Belgiers Joseph Jongen aus dem Jahre 1930.
Frank bewältigt das komplette Repertoire mit solidem technischen Können, bei stets wohldosierter Agogik. Allein im fulminanten Er­öffnungssatz von Dupré cis-Moll-Symphonie hätte man sich eine
zupackendere Art der dramatischen Gestaltung gewünscht; insbesondere der Durchführungsteil kommt allzu unterkühlt und distanziert daher. Im Übrigen betören aber die orches­tralen Farben des pracht­vollen Instruments aus der Bonner Werkstatt Klais (erbaut 2000).
Das Instrument mit seinen insgesamt 87 Registern besteht aus der dreimanualigen Hauptorgel auf der Westempore sowie der zweigeteilten Chororgel, die sich auf Evangelien- und Epistelseite aufspaltet. Es stehen dem Spieler dementsprechend drei separate Spieltische zur Verfügung, wobei mit dem Zentralspieltisch alle drei Orgeln vollumfänglich anspielbar sind. Die tadellose Tontechnik tut hier ihr Übriges.
Erweist sich die Tonträgerpubli­kation bis hierhin durchaus als grund­sätzlich empfehlenswert, erzeugt der weitere Programmverlauf im zweiten Teil der CD selbst beim geneigten Hörer gewisse Irritationen: Wie ist zu verstehen, dass der Organist das bisherige gewichtige Repertoire durch zwei entlegene britische Klein­meister des frühen (Frank Bridge: Adagio in E) bzw. späteren (Giles Swayne: Riff-Raff) 20. Jahrhunderts komplettiert, die die zuvor vom Interpreten selbst gesetzten musikalischen Qualitätsstandards in gar keiner Weise zu halten oder sinnvoll fortzuführen im Stande sind? Der motivischen Verspieltheit des minimalistisch-naiv daherkommenden Riff-Raff von Swayne wird der Hörer schon nach wenigen Minuten überdrüssig, er muss sich allerdings ganze 17:32 Minuten bei diesen – zugegebenermaßen – klanglichen Nettigkeiten aufhalten.
Kaum anders verhält es sich mit dem Adagio in E von Bridge, welches zwar mit aparter Harmonik besticht, angesichts mancher Längen jedoch gleichfalls eher ermüdet. Wollte der Interpret hiermit ganz bewusst einen möglichst krassen Kontrapunkt zu der – freundlich ausgedrückt – kopflastigen Dramaturgie seines Programms setzen, oder sieht er in den englischen Kom­positionen gar zwei gleichwertige „Partner“ zur eingangs interpretierten Musik Duprés auf Augenhöhe? Dem Hörer bleibt neben
einem irritierten Achselzucken am Ende nichts als pure Langeweile.

Jörg Abbing