Matthäus Hertel
Orgelschlüssel
Ausgewählte Schriften, hg. von Wolf Bergelt und Wolfgang J. Brylla
In der Reihe „Dokumente der Orgelwelt“, die im Herbst 2009 in der „edition labium“ angelegt wurde, sollen wertvolle wissenschaftsrelevante Quellen gesichert werden, die nur noch in wenigen Exemplaren greifbar sind. Der vorliegende 9. Band ist Matthäus Hertel (ca. 1620–1672) gewidmet, der von 1652 bis 1672 als Organist, Orgelsachverständiger und Musiktheoretiker im schlesischen Züllichau (Sulechów) wirkte. Dort bereitete er ein Manuskript zur Veröffentlichung vor, dessen Druck erst nach seinem Tod unter einem anderen Namen, aber anscheinend in so kleiner Auflage erfolgte, dass bisher kein einziges Exemplar mehr auffindbar ist. Das handschriftliche Original gelangte in die Musikabteilung der Staatsbibliothek Berlin, wurde aber um 1990 gestohlen.
Matthäus Hertels Orgelschlüssel (1666) konnte dennoch in die Reihe aufgenommen werden, da sich insbesondere der Musikwissenschaftler Georg Schünemann (1884–1945) im Jahr 1922 in einer Publikation mit dieser Quelle befasste (Schünemanns Aufsatz mit dem Titel „Matthäus Hertel’s theoretische Schriften“ erschien im Archiv für Musikwissenschaft Nr. 4, S. 336–358, Reprint: Hildesheim 1964). Das vorliegende Buch basiert auf dieser Untersuchung, die vollständig abgedruckt ist (S. 9–46).
Hertel konzipierte sein Werk als praktisches Handbuch für den Organisten mit orgelkundlichen Überlegungen, Hinweise für das Regisrieren und für das Generalbassspiel. Schünemanns Untersuchung mit zahlreichen Zitaten aus Hertels Originaltext schließt ebenfalls Beispiele für die Generalbasspraxis mit ein. Dabei fällt auf, dass Hertel Generalbassziffern aus didaktischen und anderen Gründen freier und unsystematischer verwendet hat als später üblich. Die Klang- und Notenbeispiele der von Hertel zusammengestellten Übungen sind bei YouTube unter dem Titel „Basso Continuo (historische Übungen)“ verfügbar.
Im zweiten Teil des Buches sind Manuskriptkopien von Hertels Orgelschlüssel abgedruckt, die nun für die Forschung einen nutzbaren Ersatz für die verloren gegangenen Originale darstellen. Dadurch ist der Orgelschlüssel, einschließlich der 13 Dispositionen (z. B. Orgeln in Zittau, St. Johannis [drei Orgeln], Breslau, St. Elisabeth, und Züllichau, Stadtkirche), vollständig erhalten.
Das Vorwort, die Anmerkungen und die Dispositionen sind in lateinischer Schrift gedruckt, Schünemanns Text ist in der originalen Fraktur wiedergegeben, und Hertels Manuskripte sind in deutscher Schreibschrift verfasst.
Der schriftenkundige Orgelinteressierte wird das Buch mit Gewinn lesen. Der sicherlich lobenswerten Edition wäre ein aufmerksameres Lektorat zu wünschen.
Achim Seip