Werke von M. Praetorius, J. P. Sweelinck, G. Böhm, J. S. Bach und Jean Langlais

Orgelmusik zur Trinität

Michael Vetter an der Eule-Orgel, der Kohl-Orgel und der Truhenorgel im Dom St. Petri Bautzen

Verlag/Label: audiolis (2021)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2022/01 , Seite 63

Bewertung: 3 von 5 Pfeifen

Die eingespielten Stücke scheinen auf den ersten Blick mit den Profilen der drei Orgeln im Bautzener Dom nicht unbedingt kompatibel zu sein – ein Irrtum.
Die CD beginnt mit Praeludium et Fuga in Es BWV 552 von J. S. Bach an der mechanischen Leopold-Kohl-Orgel von 1866. Der historische Bestand dieser Orgel wird heute nur noch durch das Gehäuse und die technische Anlage repräsentiert; vom originalen Pfeifenbestand blieb so gut wie nichts erhalten. Michael Vetter spielt dieses Bachwerk aus einer nicht im­mer konsequent durchgehaltenen barocken Perspektive, was sowohl die Praxis von nicht notierten, aber auszuführenden Doppelpunktierungen betrifft wie auch das Legato im ersten Teil der Fuge. Außerdem sind die langen, auskomponierten Vorhalte in den Rahmenteilen des Praeludiums meistens zu kurz. In der Fuge ist die Vorbereitung sämtlicher Themeneintritte sehr schön ausgeführt, aber das Tempo des dritten Teils ist im Verhältnis zu den beiden vorangegangenen Teilen etwas zu schnell ausgefallen. Die Kohl-Orgel macht hier eine ebenso gute Figur wie in den Ecksätzen von Georg Böhms Variationsfolge „Herr Jesu Christ, dich zu uns wend’“. Böhms weitere Variationen wirken dagegen nicht zuletzt wegen wenig profilierter Re­gis­trierungen etwas verwaschen.
Die Truhenorgel mit vier Regis­tern folgt dem Konzept einer kleinen Orgel aus dem 18. Jahrhundert von Gottlieb Näser aus Posen, erbaut von Johannes Rohlf. Auf ihr erklingen Bachs kleine Kyrie-Choralbearbeitungen BWV 672–674, ein Choralsatz von Michael Praeto­rius und zwei Verse zu „O lux beata trinitas“ von Sweelinck. Obwohl auf dieser Orgel nur ein 8’- und drei 4’-Register disponiert sind, ist ihr Klangeindruck farbig und expressiv.
Die Choralfantasie „Wir glauben all’ an einen Gott“, gespielt auf der weitgehend erhaltenen und gut restaurierten pneumatischen Hermann-Eule-Orgel von 1910, sorgt für eine Überraschung: Sie klingt hier nicht nur überzeugend, sondern auch sehr authentisch. Das gilt für Organo-pleno-Registrierungen eben­so wie für Registrierungen mit den Trompetenstimmen. Hier legt Vetter eine eindrucksvolle und überzeugende Interpretation vor.
Die abstrakten Trois Méditations sur la Sainte Trinité Op. 129 von Jean Langlais sind für ihre Wiedergabe nicht auf typisch französisch-romantische Klänge angewiesen. Deshalb ist die Eule-Orgel hier auch kein Fehlgriff. Sie sind quasi als Symbol, das zum Nachdenken über die Dreieinigkeit einlädt, ein überzeugender Abschluss für die CD-Einspielung der theologisch motivierten Intention „Orgelmusik zur Trinität“.
Publikationen wie die vorliegende erfordern viel Mut. Hier übernimmt die Orgel Gebiete der Spiritualität, die das theologische Fachpersonal freiwillig sukzessive verlässt, und verwaltet damit Defizite, die sie gar nicht zu verantworten hat. Im Dienst einer ehrenwerten Zielsetzung versagt man sich selbst, Orgeln – hier die schönen Bautzener Domorgeln – in ihrer vollen Pracht in Szene zu setzen. So etwas ist aber nicht unbedingt ein Werbeträger für das Instrument Orgel. Trotzdem kommen Liebhaber von Orgelklängen hier nicht zu kurz.

Wolfram Syré