Friedrich Wilhelm Markull (1816–87)

Organ Works Vol. 2

(= Musica Baltica Vol. 3)

Verlag/Label: Dabringhaus und Grimm, MDG 9062048 (2018)
erschienen in: organ 2018/02 , Seite 59

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Die wenigsten Organis­ten werden mit dem Namen von Friedrich Wilhelm Markull (1816–87) etwas anfangen können, geschweige denn eines seiner Musikwerke gespielt haben. Gründe hierfür mag es mannigfach geben: das übliche Schicksal von Meistern der „zweiten Reihe“, meist zu Unrecht vergessen worden zu sein, oder – wie im vorliegenden Fall – aus einem uns heute kaum mehr unmittelbar zugänglichen und daher wenig vertrauten Kulturraum (Ost- und Westpreußen) entstammen bzw. lebenslang dort wirkend.
Der in Elbing (heute Polen) geborene und nach pianistischer Wunderkind-Karriere mit nur zwanzig Jahren als Organist an der Danziger Marienkirche installierte Markull jedenfalls war in der Tat als Musiker und Komponist bedeutender, als es uns heute auf den ersten Blick scheinen mag. In Danzig entwickelte Markull ein reiches Musik­leben, indem er internationale Zelebritäten zu Auftritten einlud, Oratorien und Opern komponierte bzw. selbst aufführte und nicht zuletzt der damals darniederliegenden Kirchen-, insbesondere der Orgelmusik, neue und künstlerisch ambitionierte Impulse gab. Dies erreichte er sowohl durch sein eigenes außergewöhnlich hohes Spielniveau wie durch sein ambitioniertes Œuvre.
Die Bekanntschaft mit Liszt und Spohr mochte Markulls künstlerische Persönlichkeit entscheidend geschärft haben. Als segensreich erwies sich zudem der Umstand, dass Brahms Markulls Orato­rium Das Gedächtnis der Entschlafenen als Inspiration für sein Deutsches Requiem betrachtete. Interessanterweise sind auch Markulls 24 Choralvorspiele op. 123 den späten Choralvorspielen Brahms’ (op. 122) erstaunlich ähnlich, wohingegen die Orgel­sonate op. 56 sich offensichtlich am Mendelssohn’schen Vorbild anlehnt.
Markull gebietet über eine gediegene romantische Tonsprache, gekennzeichnet durch meisterliche Beherrschung des Kontrapunkts, pianistisch-spielfreudige Figuren und konzises Formbewusstsein. Eine Besonderheit seines Orgelschaffens sind die „Nachspiele“, die einen reichen Kanon konzertanter Formen umschließen, aber auch seine meis­ter­lichen Trios, die neben hoher satztechnischer Güte von schwärmerisch-romantischem Impetus getragen sind.
Der Danziger Organist Andrzej Szadejko hat nun eine zweite Folge der Orgelwerke Markulls auf SACD vorgelegt, aufgenommen an der schönen Buchholz-Orgel von 1841 in der Nikolaikirche zu Stralsund. Maßgeblich für die Wahl dieses Orgel-Monuments war die zu vermutende stilistische Nähe zur zunächst etwa gleich großen Danziger Marienorgel aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und vor allem die somit „nahtlos“ gelungene Eins-zu-eins-Umsetzung der Markull’schen Registrieranweisungen. So erklingen die ausgewählten Anthologiebeiträge (Nachspiele, Choralbearbeitungen, Trios und die Orgelsonate über „Nun danket alle Gott“ op. 56) „authentisch“ auf der auch klanglich ausgezeichnet natürlich und räumlich erscheinenden SACD. Szadej­kos Spiel ist tadellos und in den gewählten Tempi jederzeit dem Geist von Orgel und Komposition angemessen. – Eine sehr hörenswerte Aufnahme!

Christian Brembeck