Girolamo Frescobaldi

Organ Works and Motets

La Divina Armonia; Lorenzo Ghielmi an der Antegnati-Orgel (c. 1620) in Peglio (Italien)

Verlag/Label: Passacaille, PAS 1044 (2017)
erschienen in: organ – Journal für die Orgel 2019/01 , Seite 60

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Die Orgelkompositionen des in Fer­­rara geborenen Girolamo Frescobaldi (1583–1643) gehören zu den wichtigsten Zeugnissen der baro­cken Orgelkultur in Italien. Seine erste Sammlung, die Fantasie a 4, wurde bereits 1608 in Mailand gedruckt – in dem Jahr, in dem Frescobaldi zum Organisten am Petersdom in Rom ernannt wurde. Diese Stellung sollte er bis zu seinem Tod – mit einer Unterbrechung, die ihn an den Hof von Florenz führte – innehaben. In Rom erschienen auch seine weiteren Sammlungen von Orgelkompositionen, die ihren Verfasser in ganz Europa berühmt machten, insbesondere seine Toccaten und die Fiori musicali (1635). Weitaus weniger bekannt sind seine Vokalkompositionen: Die weltlichen Libri d’arie (1630) stehen in Zusammenhang mit Frescobaldis Aufenthalt am Florentiner Hof. Gänzlich unbekannt sind hingegen seine geistlichen Kompositionen: Frescobaldis ers­tes Motettenbuch ist nicht überliefert, und vom Liber secundus fehlt ein Stimmbuch.
Der vorliegenden Aufnahme ist insofern vieles zu verdanken: Das hervorragend aufgelegte Ensemble La Divina Armonia präsentiert eine bemerkenswerte Auswahl von geistlichen Werken Frescobaldis. Im Mittelpunkt stehen die Motetten für Singstimmen und Orgel – eine der am stärksten verbreiteten Gattungen in den römischen Kirchen zu Beginn des 17. Jahrhunderts, deren Stil eine ganze Reihe von Einflüssen widerspiegelt; am ohrenfälligs­ten ist die polyphone Kunst der Generation um Palestrina. Für die Aufnahme wurden aufwändige Rekonstruktionen von verschollenen Stimmen vorgenommen.
Die „nuova maniera di suonare“, die neue Art zu spielen – wie der Komponist sein eigenes Orgelspiel bezeichnete –, wird deutlicher in den Werken für Tasteninstrumente, die Zeugnis ablegen von der hohen Kunstfertigkeit Frescobaldis, die jüngsten musikalischen Entwicklungen seiner Zeit – etwa die seconda prattica – auf Tasteninstrumente zu übertragen. Die Gegenüberstellung von Vokalwerken und Orgelmusik, die diese CD wagt, lässt den satztechnischen Quantensprung, der mit diesen Werken vollzogen ist und der großen Einfluss auf die nachfolgenden Generationen in Italien, aber auch in Deutschland haben sollte, gut nachvollziehen. Der formale Zusammenhang zwischen den Toc­ca­ten und den Motetten in der ständigen Aneinanderreihung kurzer, kontrastierender Abschnitte ist außerdem auffällig.
Lorenzo Ghielmi hat die CD an der hervorragend erhaltenen und 2013 restaurierten Orgel in der Pfarrkirche SS. Eurebio e Vittore aufgenommen – erbaut im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts und damit ein idealer Zeitzeuge zur Aufführung dieser Kompositionen, mitteltönig gestimmt und mit neun Registern inklusive Voce umana sehr charakteristisch intoniert. Das Spiel Ghielmis ist so makellos wie das Musizieren seines Ensembles.

Birger Petersen