Percy Whitlock
Organ Sonata
+ Werke von Lynnwood Farnam, Fela Sowande und Percy Grainger. Darius Battiwalla an der J.-J.-Binns-Orgel der Rochdale Town Hall (UK)
Bewertung: 4 von 5 Orgelpfeifen
Während der industriellen Hochblüte Nordenglands gönnte sich die Stadt Rochdale 1871 eine neugotische Town Hall mit einem der besten Konzertsäle des Landes. Die von Anfang an vorgesehene Orgel kam 1913 dazu. Erbaut wurde sie von der Firma J. J. Binns aus dem benachbarten Leeds, bekannt für dauerhafte Konstruktionsweise und die Orientierung am Klangstil der thüringischen Orgelbauer Schulze, die durch ihre Exporte ab 1851 den englischen Orgelbau stark beeinflussten. Die Orgel der Rochdale Town Hall, erbaut mit pneumatischen Schleifladen, wurde 1979 von Walker elektrifiziert und 2003 von Andrew Carter aus Wakefield überholt, der auch ihre Tuba wieder spielbar machte.
Darius Battiwalla, Stadtorganist von Leeds, hat hier die Orgelsonate von Percy Whitlock (1903–46) eingespielt, komponiert 1935/36. Whitlock war nach einer zunächst kirchlichen Laufbahn 1935 Borough Organist in Bournemouth geworden, wo ihm eine Compton-Theaterorgel zur Verfügung stand. Der Stil seiner Sonate ist der Nachromantik von Delius und Rachmaninow verpflichtet (eine verschlüsselte Notiz im Manuskript spielt auf beide an) und in weiten Partien pianistisch-virtuos gehalten. Battiwallas Interpretation knüpft hier an: Durch seine zügigen Tempi in den Ecksätzen, besonders im abschließenden zwanzigminütigen „Choral“, nimmt er der Sonate alles Behäbige. Er macht ihre Spannungen hörbar und gibt den Farbwechseln, teils detailliert vorgeschrieben, ihren präzisen formalen Sinn. Auch wo die Binns-Orgel nicht folgen kann – sie besitzt z. B. kein weiches Horn-Register –, findet er einleuchtende Lösungen. Der horrorfilmreife Prospekt mag anderes erwarten lassen: Das Instrument klingt machtvoll und konturenscharf, seine beiden dreifachen Quintmixturen stehen in Balance mit den Trompetenregistern und werden von einem klar zeichnenden Prinzipalensemble getragen. Es ist Hauptakteur im Klanggeschehen, Flötenchor und Streicher verschiedener Schärfegrade arbeiten ihm färbend und kontrastierend zu. Besonders ist es aber Battiwallas poetisches, gerne auch drängendes Spiel, das die Aufnahme auszeichnet. Er will nicht luxuriöse Orchesterklänge einer Orgel inszenieren, sondern diese dramatisch-leidenschaftliche Musik zum Sprechen bringen. Dank makelloser Technik und klarer Dramaturgie glückt ihm das eindrucksvoll – und der Hörer verpasst dank der hervorragenden Aufnahme kein Detail.
Das kündigt sich bereits in der eröffnenden Toccata über „O filii et filiae“ an, die ihr Komponist, der Orgelvirtuose Lynnwood Farnam, offenbar gerne als Probestück für ihm unbekannte Instrumente verwendete. Eindrucksvoll ist auch das Kyrie des nigerianischen Komponisten Fela Sowande (1905–87), eine Art sinfonische Dichtung über ein geistliches Lied in der Yoruba-Sprache. Blythe Bells, Percy Graingers Paraphrase über Bachs „Schafe können sicher weiden“, beschließt das Programm, vielleicht als Gruß an das populäre Repertoire, das auf den englischen Town-Hall-Instrumenten zuhause war.
Friedrich Sprondel