Peter Racine Fricker

Organ Music

Tom Winpenny an der Orgel der Bridlington Priory

Verlag/Label: Toccata Classics TOCC 0518 (2019)
erschienen in: organ – Journal für die Orgel 2019/02 , Seite 61

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Die CD enthält auf der Rückseite einen Hinweis zur Entstehungsgeschichte. Demnach war Peter Racine Fricker (1920–90) eine bedeutende Londoner Musikgröße, bis er 1964 nach Kalifornien ging und damit von der Bildfläche verschwand. Die Ersteinspielung seiner Musik enthält kontrapunktische Werke mit einigen hinzugefügten Dissonanzen.
Nach dem ersten Hören muss man Tom Winpenny, „Assistant Mas­ter of the Music“ der Londoner St Albans-Kathedrale, ein Kompliment zu seinem ruhigen und konzentrierten Spiel machen, das dieses doch mehr ins „etüdenhaft“ abgleitende Porträt aufwertet. Gelungen sind die allesamt in unaufgeregt konzentrierter Manier klingenden Registrierungen, die diese Musik zweidimensional erscheinen lassen. Bis auf wenige im Nachklang von Olivier Messiaen tönenden Toc­caten, wie Toccata Gladius Domini (1968/69), enthält die Musik vor allem kontrapunktisches Laufwerk von insgesamt wenig musikalischer Ausdruckskraft. So ist schon die Intrada (1971) zu Beginn mehr eine kontrapunktische Übung denn eine Komposition. Der zulaufende Rhythmus ähnlicher Figuren vermeidet die Entstehung eigenständiger Melodien.
Auch die weiteren Titel wie Choral (1956), Präludium (1969) oder Trio (1968) lassen darauf schließen, dass hier Werke aufgenommen wurden, deren Aussagegehalt eher im Bereich einer „Etüde“ anzusiedeln ist. Vielleicht hat dies der vor dreißig Jahren verstorbene Komponist zumindest für die kleineren Stücke auch so gemeint. Insofern wundert es, warum diese Einspielung zum jetzigen Zeitpunkt veröffentlicht wird. Allerdings entspricht sie dem Trend, unbekannte Autoren wieder in den Blickpunkt zu stellen, um sie aus neuer Perspektive beurteilen zu können.
Die Musik scheint einer Art verspäteter kompositorischer Orgelbewegung in England anzugehören. Anders lassen sich die teils herben Klangzusammenstellungen, die aus ihrer Verbindung zur erweiterten Tonalität dennoch eigentliche Modernität vermissen lassen, nicht erklären. Zudem scheinen sie deutlich dem komponierten Tonsatz­bereich anzugehören, der weniger eine kompositorische Aussage anstrebt als eine theoretische Übung mit klanglichem Ergebnis abzubilden. Natürlich kann auch das Porträt einer solchen Musik durchaus spannend sein, wenn es in einem bestimmten Kontext steht. Insofern fasst die CD ein Werk zusammen, das sonst vielleicht nicht zur Kenntnis genommen werden würde. Die etwas dunkel klingende Orgel der Priory Church of Saint Mary gibt dieser Einspielung eine gelungene Farbe.

Dominik Susteck