Torsten Laux / Stefan Antweiler

Module zur Orgelimprovi­sa­tion im Gottesdienst

Teil 3: Zeitgenössische modale Techniken

Verlag/Label: Are-Verlag, Köln 2019
erschienen in: organ – Journal für die Orgel 2020/02 , Seite 59

Die Improvisationsschulen für Orgel umschreiben heutzutage mehr und mehr den Bereich des in der kirchenmusikalischen Ausbildung gelehrten Fachs „Liturgisches Orgelspiel“. Im vergangenen Jahrhundert wurden mit dem Fach „Orgelimprovisation“ – vor allem in Frankreich – die unterschiedlichen musik­theoretischen Disziplinen im konsekutiven Kurs zu einer praktischen Vollendung des Stegreif-Spiels gebracht. Mit der Säkularisierung dieser Disziplin ging eine eingehende Beschäftigung mit Vermittlungsmustern einher, die sich in zahlreichen Publikationen an die methodisch interessierte Schar der Inte­ressierten wandte.
Im vorliegenden dritten Band der Reihe „Module zur Orgelimprovisation“ wendet sich das Autorenduo – aus der kirchenmusikalischen Praxis bzw. der Hochschullehre kommend – nach einem Handbuch zur Gemeindebegleitung auf der Orgel und einer improvisatorischen An­nä­herung an das sogenannte „Neue Geistliche Lied“ (NGL) den modalen Techniken innerhalb dieser Kunst zu.
Die Idee der „Modularisierung“ entspricht nicht nur der aktuellen universitären Studienarchitektur, sondern gibt den Leserinnen und Lesern dieser Reihe die Möglichkeit, zielgerichtet Kompetenzen und Fertigkeiten auf diesem Gebiet zu erwerben – denn Orgelimprovisationsschulen haben zumeist mit der heterogenen Kompetenz ihrer Nutzerinnen und Nutzer zu kämpfen.
Es gibt improvisierende Menschen, die einen Leitfaden zur stilgebundenen Improvisation suchen, denen aber das musiktheoretische Rüstzeug – man könnte auch sagen: die musikalische Grammatik – fehlt. Diese Zielgruppe wird im vorliegenden Band mit Sicherheit fündig werden: Es werden sukzessive modale Techniken vorgestellt, wobei neben den Kirchentonarten auch die beiden Ganztonskalen und die modes à transpositions limitées von Olivier Messiaen in ihren vielfältigen Einsetzungsmöglichkeiten gezeigt werden.
Hilfreich sind hierbei die vielen Anwendungsbeispiele an Kirchenliedern aus dem Evangelischen Gesangbuch und dem Gotteslob – jeweils mit einem spielbaren Torso, der von den Nutzerinnen und Nutzern des Buches selbst­ständig weitergeführt werden kann. Insbesondere hierin setzt sich die vorliegende Publi­ka­tion von anderen, vergleichbaren Werken in dieser Sparte positiv ab. Natürlich vermitteln die einzelnen Beispiele nur einen archa­ischen Abdruck großer musikalischer Vorbilder aus der Orgelliteratur, aber es ist dem Autorenduo anzurechnen, dass sie mit den ausgewählten Beispielen auch nebenamtlichen Organistinnen und Organis­ten eine sehr gute Hilfestellung in der Erarbeitung klanglich reizvoller Choralvorspiele und Intonationen für den liturgischen Gebrauch bieten. Die kunstvollere Ausarbeitung der einzelnen Improvisationsformen ist ohnehin dem ambitionierteren Musiker selbst anheimgestellt.
Mit den einzelnen harmonisch-klanglichen Optionen sind kontrapunktische Implikationen und Kanonisierung in unterschiedlichen Kombinationen sowie unterschiedliche Spielfiguren und Stimmkonstellationen verbunden. Etwas themenfremd, doch nicht weniger informativ ist der Ausflug in den Bereich der Akkordmöglichkeiten des Jazz. Einzig der Abschnitt über die musikalische Form der Fantasie wurde sehr in die Enge gedrängt und wirkt zudem in der Positionierung vor dem Glossar etwas hilflos und vergessen.
Insgesamt ergeht eine klare Kaufempfehlung an die Zielgruppe derjenigen Spielerinnen und Spieler, die die Hörerlebnisse der großen Orgelwerke – zumeist sinfonischen Zuschnitts – in ihren liturgischen Improvisationen ein wenig praktisch nachahmen möchten und so der gottesdienstlichen Gemeinde die Möglichkeit der ästhetischen Erfahrung großer Kunstfertigkeit im kleineren liturgischen Rahmen bieten möchten.

Jörg Abbing