Michael Schwalb
Max Reger. Der konservative Modernist
Susanne Popp, die weiterhin umtriebige ruheständlerische Leiterin des Karlsruher Max-Reger-Instituts und promovierte Musikwissenschaftlerin, hat mit Werk Statt Leben (rund 540 Seiten) einen unentbehrlichen biografischen Markstein zu Max Reger gesetzt. Michael Schwalb, Violoncellist, Redakteur, Publizist, hat dem großen Werk Susanne Popps eine Art kleinen Neffen zur Seite gestellt: ein 140-Seiten-Büchlein, äußerlich kompakt, inhaltlich komprimiert. Der Autor bietet wenig Neues; er versucht, das Leben des bulligen Oberpfälzers mit seinen ungewöhnlich genialen und unbegreiflich zahllosen Kompositionen chronologisch zu verbinden. Das ist ein schwieriger Hochseilakt, der die Gefahr des Sturzes birgt.
Jedoch – man erfährt Details aus Regers Leben, die wenig geläufig sind; etwa von seinem Arbeitsprinzip: Reger entwickelte stets mehrere Werke gleichzeitig im Kopf. Aber häufig fehlte ihm die Zeit zur Niederschrift. Oft benutzte er nach eigenem Bekunden dazu die Eisenbahnreisen zu Konzerten. Vorauseilend legte er außerdem eine Liste mit Plänen und Opus-Zahlen an, bevor die Tinte auch nur eine konkrete Note geboren hatte. Kritiker nannten ihn zuweilen eine „Kompositionsfabrik“ … und da er viele Werke mit seinen scheinbar unumgänglichen Fugen krönte, hieß man ihn überdies spöttelnd „Fugenmaxl“. Die Fugenform bewältigte er indessen grandios, auch wenn namhaft-renommierte Organisten ihm das ab und an gerne absprechen.
Jedoch – man erfährt Näheres zu seiner Ehe: Reger hat Elsa von Bagensky heftig umworben und sich ihr, wie ein Politiker seinen potenziellen Wählern, selbstdarstellerisch angeboten. Sie die Adlige, er der Bürgerliche, sie die Protestantin, er der Katholik („bis in die Fingerspitzen“), der nach der Eheschließung ruck zuck von seiner Mutterkirche exkommuniziert wurde (sic!). Beide Eheleute entfremdeten sich später zusehends, und „das Maxl“ begab sich als Fluchtreflex auf seine vielen Konzertreisen.
Jedoch – man erfährt viel über Regers Wirkungsstätten, etwa über das seinerzeit katholisch-muffige München, dem er in das evangelisch-freie(re) Leipzig entfloh, oder wie manche seiner Werke mit mancherlei Orten (etwa: Weiden – Orgelmusik; München – Lieder und Kammermusik; Meiningen – Orchesterwerke) eng verbunden sind.
Schwalb ist Cellist und so auch Kammermusiker. So nimmt dieses Genre in seinem Buch denn auch einen breiten Raum ein. Die Orchester- sowie die größeren und kleineren Chorwerke erfahren immerhin eine knappe Schilderung – stets in Verbindung mit den lokalen und politischen Gegebenheiten (etwa Meiningen und Regers Beziehung zum dortigen Regenten). Allein die Orgelmusik leidet in der vorliegenden Darstellung doch etwas stiefkindlich. Einzelne der großen Orgelwerke erfahren (im Rahmen der 140 Seiten) Beachtung. Die „kleinen“, aber auch so vorzüglichen Werke bleiben ganz und gar unerwähnt.
Die bereits andernorts sattsam bekannten Fotos, Karikaturen und launige Bemerkungen über Regers Witzkisten ergänzen das Büchlein.
Klaus Uwe Ludwig