César Franck (1822–1890)

L’Organiste

Orgelbearbeitung, Band 1, bearbeitet und hg. von Martin Böcker

Verlag/Label: Dr. J. Butz, BU 2932
erschienen in: organ – Journal für die Orgel 2019/04 , Seite 56

Es muss eine sehr kreative Schaffensphase gewesen sein, in der sich César Franck ganz am Ende seines Lebens im Herbst 1890 befunden hatte. Neben den Trois Chorals, in denen er quasi wie ein Testament die Essenz seines Stils aufleuchten ließ, nahm er auch die Komposition eines Albums mit hundert Stücken für Harmonium in Angriff, von denen er schließlich 59 fertigstellte.
Es handelt sich um den Band L’Organiste – kleinere Stücke für den gottesdienstlichen Gebrauch, wohl als Versetten zum Magnificat gedacht. Natürlich kann diese Musik auch gut auf der Orgel dargestellt werden, und eine spätere Ausgabe des Verlags Enoch legt dies im Titel ausdrücklich nahe. Allerdings treten dabei Notationsprobleme auf: Francks Notation ist nicht ohne die vorgeschriebene Registrierung auf dem Harmonium zu sehen und bezieht sich dabei oft auf Stimmen in 16’- oder 4’-Fußlage.
In diese Problematik greift nun Martin Böcker, Professor an der Hamburger Musikhochschule und Organist in Stade, ein. Er hatte durch die eigene Unterrichtspraxis festgestellt, dass viele Schülerinnen und Schüler Schwierigkeiten hatten, die somit gegenüber dem Notenbild erforderlichen Oktavversetzun­gen auszuführen und legt nun im Butz-Verlag eine Ausgabe speziell für das Spiel von L’Organiste auf der Orgel vor. Hier ist nun alles in 8’-Lage notiert und eine behutsam und klug aus dem Originalsatz gewonnene Pedalstimme auf einem gesonderten Notensystem eingerichtet worden.
In diesem ersten Band (Band 2 ist mittlerweile ebenfalls erschienen, ein dritter in Vorbereitung) findet man insgesamt 21 Stücke, die von Franck jeweils in Suiten zu sieben Stücken in einer bestimmten Tonart angelegt sind (hier C-Dur/c-Moll, Des-Dur/cis-Moll und D-Dur/d-Moll). In diesen Suiten befinden sich jeweils sechs kürzere Versetten von ca. einer Minute Spieldauer und ein abschließendes, größeres Stück, welches unter dem Titel „Offer­toire“, „Sortie“ oder „Communion“ die Themen der vorangegangenen Versetten aufgreift.
Wenn auch Francks Stil in diesen „Petitessen“ deutlich einfacher ist als in den großen Werken seines Kanons, so handelt es sich doch um schöne Musik, die für die Verwendung in der Liturgie wie auch vor allem in Unterricht sehr geeignet ist, lassen sich an ihr doch bei leichter technischer Spielbarkeit romantische Phrasengestaltung, agogische Gestaltung und Schwellergebrauch lernen. Ein weiteres Lernfeld wäre die Registrierung: Hier hat der He­rausgeber darauf verzichtet, den Stücken Registrierungsvorschläge mitzugeben, und stattdessen im Vorwort ausführlich zur Klanglichkeit des Harmoniums, zu typischen Registrierungen Franck’scher Werke auf kleinen Cavaillé-Coll-Orgeln sowie deren Übertragbarkeit auf Orgeln deutscher Provenienz Stellung genommen, so dass davon ausgehend jeweils gültige und stilechte Lösungen gefunden werden können.
Die Edition lässt dabei keine Wünsche offen: gut lesbares Notenbild, Übernahme der Bezeichnungen aus der Originalvorlage sowie deutliche Kennzeichnung eventueller Hinzufügungen. Ein Gewinn!

Christoph Kuhlmann