Klemens Schnor

Kleine große Orgelwelt

25 Beiträge von verschiedener Art gesammelt und herausgegeben von Silke Berdux Allitera, München 2019, 283 Seiten, 29,90 Euro

erschienen in: organ – Journal für die Orgel 2019/02 , Seite 55

Wir kennen Klemens Schnorr vor allem als Konzertorganist und Pä­dagogen, jedoch weniger als Autor. Er studierte Orgel, Kirchenmusik und Meisterklasse Orgel bei Franz Lehrndorfer an der Hochschule für Musik und Theater München sowie Musikwissenschaft, Lateinische Philologie des Mittelalters und Italienische Philologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München (M.A. bei Rudolf Bockholdt).
Nach Lehrtätigkeiten am Hermann-Zilcher-Konservatorium in Würzburg und an der Musikhochschule München, an der Universität München und Tätigkeiten als Orgelsachverständiger beim Kirchenmusikamt der Erzdiözese München und Freising wurde Schnorr 1991 zum ordentlichen Professor an die Hochschule für Musik Freiburg berufen. 1998 übernahm er als Nachfolger von Ludwig Doerr auch das Amt des Domorganisten am Freiburger Münster, welches er bis ins Jahr 2012 innehatte. 2002/03 war er der Gründungsrektor der Hochschule für Katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik Regensburg. 2014 erfolgte die Emeritierung an der Musikhochschule Freiburg. Zahlreiche Preise (u. a. Internationaler Orgelwettbewerb Bologna, ARD-Wettbewerb München, Internationaler Orgelwettbewerb Rijnstreek NimwegenPreis, Paul-Hofhaimer-Wettbewerb Innsbruck, Internationaler Orgelwettbewerb Avila) und Ehrungen wurden ihm zuteil.
Zum 70. Geburtstag Klemens Schnorrs erschien dieses Jahr ein wunderbarer Band mit 25 musikwissenschaftlichen Beiträgen des Jubilars, die aus der langen und erfolgreichen Zeit seines Wirkens aus etwa hundert veröffentlichten Schriften, zusammenfasst und von Silke Berdux, Kuratorin der Musikinstrumentensammlung des Deutschen Museums, herausgegeben wurden. Besonders mit den Orgeln dieser Sammlung ist Klemens Schnorr schon viele Jahrzehnte vertraut, gab er doch dort immer wieder Konzerte. Eines dieser Konzerte war auch die Gelegenheit, bei der ich ihn als Jugendlicher zum ersten Mal hörte und dann das Glück hatte, sein Privatschüler und später sein Student an der Münchner Musikhochschule zu werden.
Neben Schnorrs großartiger Musikalität und seinem historisch fundierten Spiel sind sein kritisches Hinterfragen des Notentextes, der Editionen und der Inhalte der dazugehörigen Sekundärliteratur beständiger Ansporn, sich selbst als ausübender Musiker mit mehr als dem Erlernen des Notentextes zu beschäftigen. Schnorrs umfangreiches musikwissenschaftliches Wissen, seine breite und polyglotte Bildung sind unerreichtes Vorbild. So finden wir in diesem Buch auch etliche Artikel, die er in italienischer und spanischer Sprache verfasst hat und die hierzulande schwer zugänglich sind, in dem Buch aber mit deutscher Zusammenfassung abgedruckt sind.
Der Band beginnt mit drei Beiträgen zu süddeutscher Orgelmusik und den Komponisten Kerll, Froberger und Georg Muffat. Es werden Gesamtausgaben der Orgelwerke Kerlls verglichen und dabei nachgewiesen, dass eine wichtige Quelle, eine Abschrift Adolf Sandbergers (um 1900) eines 1676 datierten Manuskripts, das im Zweiten Weltkrieg verlorenging, bei den erhältlichen Gesamtausgaben nicht zu Rate gezogen wurde. Es folgen eine ausführliche Darstellung von Leben und Werk Georg Muffats und ein Beitrag über die drei o. g. Komponisten. Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit Johann Sebas­tian Bach: den vier verschiedenen, in den Originalhandschriften tradierten Notationsarten Bach’scher Orgelwerke, die dem Interpreten Rückschlüsse auf Form und Wiedergabe geben können, eine fundierte Auseinandersetzung über Albert Schweitzers Bach-Spiel auf dem Hintergrund der unterschiedlichen Bachtraditionen des 19. Jahrhunderts und eine äußerst plausible wie spannende These zur Deutung der Passacaglia BWV 582.
Der nächste Buchabschnitt beschäftigt sich mit „Nach-Bach’scher Orgelmusik“, wobei die Aufsätze über Max Reger und die sogenannte „Münchner Schule“ und über die Orgelmusik von Karl Höller besonders hervorzuheben sind. Von den fünf Arbeiten über „Orgelbau und Orgelspiel“ haben mich „Sonder- und Effektregister der oberschwäbischen Orgeln und ihre musikalische Verwendung“ und zwei Texte zur Temperierung und zum Klangaufbau der barocken Maihinger Baumeister-Orgel ganz besonders interessiert. In den abschließenden Kapiteln werden verschiedene Orgeln und Orgellandschaften sowie kurze Künstlerviten von Karl Richter und Franz Lehrndorfer dargestellt.
Insgesamt ein bunter Strauß an Beiträgen, die allesamt tiefgehend, kritisch und umfassend fundiert für Organisten, Studierende und Orgelliebhaber von großem Interesse sind.

Stefan Kagl