Jazz.Spors.Bach

Trio Sonatas. Ulrich Walther an der Zacharias Hildebrandt-Orgel von St. Wenzel zu Naumburg, an der Walcker/Klais-Orgel der evang. Stadtkirche Ludwigsburg und an einer Hammond B3 Organ; Trio Michael Spors

Verlag/Label: organum classics (2018)
erschienen in: organ – Journal für die Orgel 2019/03 , Seite 63

Bewertung: 2 von 5 Pfeifen

Ob man die Musik eines Johann Sebastian Bach bearbeiten oder gar verjazzen muss, frage ich mich schon seit Jahrzehnten, seit ich das erste Mal Jacques Loussier seine Jazz­interpretationen von Musik Bachs habe spielen hören. Wenn man sich nach Jahren des Studiums danach sehnt, auszubrechen und Neues zu schaffen, ist die Auseinandersetzung nachvollziehbar. Dass dann manchmal etwas entsteht, das man vielleicht besser für sich behalten hätte, versteht sich. Könnte man aber nicht erwarten, dass durch Lebens- und Hörerfahrung und Kontakte mit Musikern anderer Genres eine Art musikalisches Erwachsenwerden geschieht?
Die vorliegende CD lässt Letzteres meiner Ansicht nach vermissen. Gespielt und aufgenommen bzw. bearbeitet wurden drei der sechs Triosonaten BWV 525–530, die wohl mit zu den spieltechnisch anspruchsvolls­ten Orgelwerken des Komponisten gehören.
Zunächst erklingt BWV 526 in einer Version für Trio mit Klavier, Bass und Schlagzeug (Trio Michael Spors), dann BWV 529 mit Ulrich Walther an der Hammond-Orgel. Leider ist es eher der misslungene Versuch, die Musik irgendwie jazzig klingen zu lassen: Das Ganze klingt wie Jazz nach Noten.
Es folgt BWV 527, zunächst an einer ,richtigen‘ Pfeifenorgel, der  Hildebrandt-Orgel der Naumburger Wenzelskirche – für meine Ohren eine regelrechte Erholung –, dann in der Jazzversion des Trio Michael Spors, zu dem sich nach einer gewissen Zeit Ulrich Walther an der Hammond-Orgel hinzugesellt: nicht gerade ein schönes und homogenes Klangbild. Hier bekam ich allerdings gegen Ende des ers­ten Satzes eine Idee davon, was möglich wäre, wenn sich die Musiker trauen würden aufzumachen … Es fängt etwas an zu keimen, um sogleich wieder erstickt zu werden. Die Musik wird regelrecht schmalzig – es passt nichts mehr zusammen. Ich möchte den Musikern zurufen: Traut euch!
Danach wird zunächst BWV 526 wieder aufgenommen: in einer Einspielung von Ulrich Walther an der Walcker/Klais-Orgel der Evangelische Stadtkirche Ludwigsburg, zum Schluss BWV 529, diesmal in der Jazzinterpretation des klassischen Jazztrio: Aber es entwickelt sich nichts.
Es scheint so, dass es an Bachs Musik nichts zu verbessern oder zu bearbeiten gibt, zumal die meisten, die den Versuch unternehmen, sich davor scheuen, deutlich ihre Persönlichkeit einzubringen. Offenbar gehört sehr viel Mut dazu, sich eine so ausgereifte Musik zueigen zu machen und daraus Neues entstehen zu lassen.
Zu spüren ist aber, dass sich alle Beteiligten ernsthaft Mühe gegeben haben, und zwar über das rein Musikalische hinaus. Die Aufnahmen sind hochwertig, Covergestaltung und ausführliches Book­let (dt./engl.) ansprechend. Die Musiker beherrschen ihre Instrumente souverän und haben die Musik intensiv studiert. Es ist aber eine Erholung vom allzu sehr bemühten Anders-klingen-Wollen, wenn einfach nur Bach (an der Pfeifenorgel) erklingt.

Henning Pertiet