Werke von Ravel, Patrick Gowers, Debussy, Kerensa Briggs, Nadia Boulanger, Owain Park, Britten, Messiaen und Cheryl Frances-Hoad
Images
Anna Lapwood an der Orgel der Kathedrale von Ely in Cambridgeshire (UK)
Bewertung: 4 von 5 Pfeifen
Das Wesentliche eine CD ist zwar die silberfarbene Scheibe in der Verpackung und die darauf gebannte Musik. Aber dennoch sagt die Hülle in der Regel schon viel über den klanglichen Inhalt voraus. Und so wirken manche Dinge auf den Betrachter schon beim ersten Anblick recht verkrampft. So auch das Cover von Anna Lapwoods CD Images, das die Künstlerin quasi eingebettet in die muschelförmige Skulptur Scallop zeigt, errichtet zu Ehren von Benjanim Britten am Strand von Aldeburgh. Der Blick der jungen Frau geht jedoch am Betrachter vorbei, die Gesichtszüge wirken recht kühl und eher abweisend. Im Inneren des Booklets posiert Anna Lapwood dann à la Botticellis Venus, freilich züchtig bedeckt, aber auch hier ist wenig von sinnlicher Ausstrahlung/Atmosphäre zu spüren.
All das wäre müßig zu erwähnen, nähme Anna Lapwood nicht für sich in Anspruch, sowohl als Musikerin wie als Organistin eine Art „Besonderheit“ in einer noch immer von Männern dominierten Szene zu sein. Der Satz eines ihrer Lehrer, sie solle „wie ein Mann“ spielen, habe sie über Jahre nachhaltig in ihrer Entwicklung gehemmt. Um angehende Musikerinnen vor derartiger (Selbst-)Täuschung zu schützen, initiierte sie den Hashtag „#playlikeagirl“.
All das mag ja seine Berechtigung haben, all das passt in unsere Zeit der pausenlosen Mitteilungsbedürftigkeit und ist damit wohl nicht zuletzt auch Ausdruck unserer Zeit. Dennoch stellt sich (mir) unweigerlich die Frage, ob eine Dame Gillian Weir, ob Marie-Claire Alain oder auch Jeanne Demessieux sich jemals ernsthaft darüber Gedanken gemacht haben, wie ein Mann oder wie eine Frau die Orgel spielen. Sie haben als Musikerinnen Weltruhm erlangt, weil sie neben all ihrem Können stets das Wesentliche ihrer Profession im Blick hatten: sich in den Dienst der großen abendländischen Musik zu stellen.
Nun aber zum Inhalt der silbernen Scheibe! Hier überzeugt Anna Lapwood weit mehr, gleichwohl sie auch hier Eulen nach Athen trägt. Dass die subtile Schönheit der Königin der Instrumente nicht in ihrer zuweilen bombastischen Lautstärke liegt, haben sicherlich auch feinfühlige Organisten längst entdeckt. Sei’s drum! Die gewaltige Orgel von Harrison & Harrison der Kathedrale von Ely bietet einen überreichen Klangfundus, um Ravels Le Tombeau de Couperin in ein bezauberndes impressionistisches Farbbad zu tauchen. Und auch Brittens Four Sea Interludes in Lapwoods eigener Bearbeitung gestaltet die Musikerin als ein wunderbares klangliches Farbmeer von schier endloser, gelegentlich überraschender Weite. Trotz technisch profundem, stets musikalischem Spiel, am Ende fehlt dann doch etwas: die Magie des Raumes. Gerade das impressionistisch Dahingehauchte, das nicht konkret Fassbare ist angesichts einer recht trockenen Akustik allzu präsent.
Dennoch: Mit ihrer Debüt-CD setzt Anna Lapwood durchaus einen Akzent und beweist zudem klares, kantiges, ja auch mutiges Profil.
Wolfgang Valerius