hg. von Thomas Emanuel Cornelius und Orgelstadt Hamburg e. V.
Hommage à Arp Schnitger 1719–2019
Neun musikalische Reflexionen zum 300. Todestag
Einem der herausragendsten Orgelbauer Nordeuropas um 1700, Arp Schnitger, wurde anlässlich der Wiederkehr seines 300. Geburtstags in diesem Jahr vielerorts gedacht, sei es mit Konzerten, Vorträgen oder Publikationen mannigfaltiger Art. In diesem Zusammenhang sei auf das kürzlich beim Squirus-Verlag erschienene Kompendium Hommage à Arp Schnitger hingewiesen, herausgegeben von Thomas Emanuel Cornelius und Orgelstadt Hamburg e. V. Neun AutorInnen wurden eingeladen, völlig frei und ohne stilistische oder instrumentenspezifische Vorgabe ein Werk zu Ehren des genialen Orgelbauers zu komponieren.
Herausgekommen ist eine interessante Sammlung zeitgenössischer Orgelmusik zum Teil sehr unterschiedlicher Faktur, durchweg einfallsreich und von hohem spielerischen Anspruch. Dabei reicht die stilistische Bandbreite von im Personalstil gefärbten historisierenden Stilkopien bis hin zu typisch Zeitgenössischem wie grafische Notation.
Thomas Emanuel Cornelius’ Auferstehung arbeitet sich programmatisch an der Evangelien-Stelle Matthäus 28, 1–10 hindurch und verknüpft das Thema des ewigen Lebens mit der Unsterblichkeit Schnitgers durch den Klang seiner Instrumente. Das Stück hat keinen festen Takt und ist rhythmisch sehr knifflig, was vor allem bei den schnellen Eckteilen besondere Konzentration erfordert. Manuel Geras Praeludium aus A.S wirkt da deutlich „barocker“, allerdings mit diversen, besonders am Schluss eingestreuten „Verfremdungseffekten“.
Frank Gerhardt malt seine Musik im Conductus, gedanklich bezogen auf die Periode der „Notre-Dame-Epoche“, mit Klangflächen. Sehr variabel präsentieren sich auch die Vier Szenen mit Schnitger von Karl-Bernhardin Kropf, abwechselnd virtuos, minimalistisch oder auch experimentell. Rhythmisch ostinate Modellhaftigkeit findet sich in Fabio Paianos Fantasie über S.C.H.A, während Sarah Proskes Stoer up! anfänglich einem „Prélude non mesuré“ in der Art der französischen Clavecinisten gleicht, bevor es mit festgelegter lebendiger Rhythmik weitergeführt wird. Sehr viel Arbeit erfordert auch der erste Teil des Präludium und Fuge von Paul Leonhard Schäffer. Die Fuge ist anfangs „klassisch“ kontrapunktisch gehalten, die Stimmführung wird aber gegen Ende akkordisch aufgefächert.
Rainer Theodor Schmitz’ Gott, gib einen milden Regen schlägt mit dem Dichter Mauritius Kramer einen spezifisch regionalen Bezug zur Kultur der Marschen. Die Choralstrophen sind nach der Melodie des bekanntesten Liedes von Johann Schop, Werde munter, mein Gemüte, in dem Stück mit verwoben und wurden bei der Uraufführung des Werks von der anwesenden Gemeinde mitgesungen: eine schöne Idee, welche das Publikum aus der Position des reinen Zuhörens heraus aktiv beteiligt und zudem die historische Bedeutung der Orgel als liturgisches Instrument erfahrbarmachend unterstreicht.
Das den Band beschließende Triptychon für „AS“ von Rainer Selle ist spielerisch ebenfalls höchst anspruchsvoll. Beginnend mit einem Solo in der Manier eines „Pedal exercitium“ von J. S. Bach, offenbart sich die folgende „Toccata“ anfänglich als Reminiszenz an Bachs Präludium BWV 543, die kurze „Fuge“ wiederum erinnert mit Tonnamensymbolik an die Namen Schnitger, Buxtehude und Bach. Originellerweise gibt es das zweite Teilstück auch in einer Alternativ-Fassung für historische Orgel ohne Pedal. Auch der dritte Part „Bicinium“ und die sehr einfallsreiche „Passacaglia“ lassen sich ebenfalls auf einer Orgel mit kurzer Oktave darstellen.
Alle neun Werke haben ihre Originalität und ihren Personalstil und tragen zum gelungenen Gesamterscheinungsbild der Publikation bei.
Christian von Blohn