Boëllmann, Léon

Heures Mystiques

Communion I/II für Viola und Orgel (KDL-0911-01) | Communion IV/V für Flöte und Orgel (KDL-0311-01)

Verlag/Label: Verlag Daniel Kunert
erschienen in: organ 2012/01 , Seite 60

Léon Boëllmann ist den meisten Orgelfreunden vor allem – oder einzig! – durch seine unverwüstliche Suite gothique ein Begriff. Der mit 32 Jahren leider viel zu früh verstorbene Musiker hat neben anderen Orgelwerken auch die 1896 im Druck erschienenen Heures mys­tiques opp. 29 und 30 hinterlassen. Ähnlich dem Vorbild von César Francks L’Organiste  bieten sie eine Sammlung meist kürzerer spät­romantischer Miniaturen, zunächst einmal für den liturgischen Gebrauch bestimmt (für Harmonium oder Orgel). Die Kollektion enthält überwiegend Stücke für die Propriumsteile der römischen Messe, in Opus 29 finden sich fünf Versetten zur Kommunion. Vier davon hat Chris­tian Glowatzki nun in einer eigenen Bearbeitung für Viola bzw. Flöte und Orgel vorgelegt und jeweils zwei davon für eine Instrumentenkombination zusammengefasst.
Glowatzki beschränkt sich bei seinem Arrangements nicht auf reine Transkriptionen, sondern stellt beispielsweise bei Communion I der Bratsche eine kleine Solo-Introduktion voran, bevor die eigentliche Boëllmann-Komposition in achten Takt beginnt. Manche Stellen sind „wortwörtlich“ eins zu eins übertragen und die Stimmen dabei geschickt aufgeteilt mit alternierenden dialogisierenden Führungen. Häufig wird in die Originalpartitur eingegriffen und der Boëllmann’­sche Notentext geändert – allerdings quasi im Geiste des Komponisten mit dem vorgegebenen Material weitergesponnen. Bisweilen wurden Zusatzstimmen eingefügt, oder es gibt reizvolle Übergänge zwischen den beiden Stück-Paaren wie zum Beispiel das Zwischenspiel des Soloinstruments zwischen Communion I und der um eine Terz tiefer transponierten Communion II – oder das apart-kurze Orgel-Interludium zwischen Communion IV und V. Wahrscheinlich ist es im Sinne des Bearbeiters bei liturgisch gegebener Notwendigkeit kein Prob­­lem, die Versetten auch einzeln zu spielen und an den entsprechenden Stellen einfach wie im Frescobaldischen Sinne (siehe Fiori musicali) Fermaten einzufügen.
Das Erscheinungs- resp. Druckbild der Edition ist recht simpel, aber gut lesbar. Vielleicht wäre es überlegenswert, in der Partitur der Nummernpaare I und II (natürlich nicht in der Einzelstimme der Viola) für die Solostimme den Violinschlüssel zu nehmen, damit die Organisten (zumindest diejenigen, die nicht mehr mit älteren Ausgaben wie etwa denen der Bach-Orgelwerke der Edition Peters und so mit dem Altschlüssel vertraut sind) den Text besser mitverfolgen können.
Insgesamt sind die Arrangements gekonnt gemacht und stellen eine reizvolle Erweiterung der „Orgel plus-Literatur“ dar. Wer nicht die Möglichkeit hat, auf diverse Soloinstrumente zurückgreifen zu können, dem seien in jedem Fall diese vielfach zu Unrecht vergessenen, gleichwohl gut zugänglichen Originalstücke Boëllmanns für Orgel solo empfohlen, die auch den technisch weniger versierten Spieler nicht gleich überfordern.

Christian von Blohn