Werke für Violine und Orgel von Joseph Haas, Max Reger und Joseph Renner jun

Haas – Reger – Renner

Sreten Krstič, Norbert Düchtel und Ludwig Schmitt, Orgel

Verlag/Label: TYXart, TXA19131 (2021)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2021/03 , Seite 62

Bewertung: 4 von 5 Orgelpfeifen

Orgel plus Melodieinstrument: das ist eine in Konzerten wie bei Tonaufnahmen recht beliebte Kombination. Bei der vorliegenden CD-Neuveröffentlichung des Labels TYXart tritt zur Orgel die Violine hinzu, gespielt von Sreten Krstič, dem ehe­ma­ligen Konzertmeister der Münch­ner Philharmoniker. Seine Musizierpartner sind der international als Konzertorganist renommierte Norbert Düchtel und dessen Meisterschüler Ludwig Schmitt. Raritäten aus der Spätromantik bilden das Repertoire, und darum fiel die Wahl der Interpreten auf ein Instrument, welches der Stückauswahl sowohl stilistisch als auch historisch adäquat ist: auf die Bittner-Orgel in der Kirche St. Walburga im oberbayerischen Beilngries.
Das 1913 von dem Eichstätter Orgelbauer Joseph Franz Bittner errichtete Orgelwerk verfügt über insgesamt 45 Register im Pedal und auf den drei Manualen (darunter ein Schwellwerk), Taschenladen, mechanisch-pneumatische Spiel- und elektropneumatische Registertraktur. Nach mehreren nur teilweise erfolgreichen Umbauten, um konstruktionsbedingte technische Mängel zu beheben, wurde die Orgel zuletzt in den Jahren 2010 bis 2012 durch die Schweizer Firma Kuhn gründlich restauriert.
Einziges Manko dieser CD-Einspielung ist, dass im Booklet nichts Näheres über die Beilngrieser Bittner-Orgel zu erfahren ist. Erfreuen kann man sich dagegen an den interpretatorisch wie technisch gelungenen Aufnahmen der einzelnen Kompositionen. Sie präsentieren dem Hörer unter anderem eine „Kanzone“ und ein „Interludium“ aus der Feder Josef Renners, der von 1893 bis 1934 Regensburger Domorganist war. Hochromantisch klingt der Gesang der „Kanzone“, in schönheitsgesättigter Ruhe, während das Interludium größere Expressivität und emotionale Bandbreite entwi­ckelt. Um Ersteinspielungen handelt es sich bei diesen wie den übrigen aufgenommenen Stücken, darunter Max Regers Air nach Bachs bekanntem Choralvorspiel „O Mensch bewein dein Sünde groß“. Zart und innig schmiegt sich hier die figurierte Choralmelodie der Violin-Oberstimme in das grundierende kontrapunktische Geflecht des Orgelsatzes, warm, doch ohne aufgesetztes Sentiment.
Spätromantische Harmonik dominiert in Max Regers durch Klaus Uwe Ludwig vom Orchester auf die Orgel übertragenem „geigenden Eremiten“ aus dessen Böcklin-Suite. Den inhaltlichen Schwerpunkt der CD bilden jedoch Werke des Komponisten und Musikpädagogen Joseph Haas (1879–1960), eines Traditionalisten, der sich zeitlebens wenig um Strömungen der „Neuen Musik“ kümmerte. Seine beiden hier interpretierten „Kirchensonaten“ fu­ßen auf bekannten, meditativ oder variativ entwickelten Liedmelodien: beschwingt beim weihnachtlichen In dulci jubilo, herber bei Es ist ein Schnitter heißt der Tod. Ergänzt wird die CD durch einige rein der Orgel vorbehaltene „Choralfu­ghetten“: Zeugnisse dafür, dass Haas in altmeisterlicher Weise diese kontrapunktische Kunst der Choralbearbeitung beherrschte.

Gerhard Dietel