John Field

Fünf Nocturnes

für Orgel solo bearbeitet und hg. von Richard Braiser

Verlag/Label: Dr. J. Butz, BUTZ 2992
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2021/02 , Seite 55

Dürfte der Name John Field heute wohl nur noch bei eingefleischten Kennern der schönen Künste, Unterabteilung Musik in der Rubrik „Komponist“, gelistet sein, seine berühmteste Erfindung sollte jede Musikerin, jeder Musiker schon mal gehört haben: das bzw. die Nocturne. Zwar setzt dieses romantische Genrestück für Klavier zu­aller­erst wohl die Assoziation Chopin frei. Doch es war der Clementi-Schüler John Field (1782–1837), der erstmals diese Bezeichnung für ein ruhiges, getragenes Klavierstück mit kantabler Melodie über einfacher, meist arpeggierter Begleitung und kontrastierendem Mittelteil in benachbarter Tonart wählte. Entsprechend dem Namen ist die allgemeine Stimmung der Fieldschen Noturnes denn auch eher geprägt von nächtlicher Stille und Dunkelheit.
Warum nun Stücke, die im Umfeld so genannter Salonmusik entstanden sind, ausgerechnet auf die (Kirchen-)Orgel übertragen? Sicherlich bietet die musikalische Faktur hier den äußeren Anlass. Die Melodiestimme lässt sich mühelos einem Soloregister zuweisen, da­runter die Begleitung in dezenter Registrierung, das Ganze grundiert mit entsprechend langsam schreitenden Pedaltönen. Doch macht dies allein aus einem eher intim wirkenden Klavierstück für die Kammer bzw. den Salon schon ein überzeugendes Orgelstück? Kann die Orgel mit vielfältig schillernden, gelegentlich auch abrupt wechselnden Farben sowie größerer dynamischer Bandbreite punkten, so fehlt ihr in Bezug auf eine differenziert-feingliedrige Nuancierung und ebensolche Schattierung dann doch jegliche Geschmeidigkeit.
Damit diese Nocturnes auf der Orgel nicht zu einer Karikatur ihrer selbst werden, bedarf es eines höchst sensibel agierenden Musikers. Da es sich nicht um virtuose Paradestücke im herkömmlichen Sinne handelt, kann sich der Interpret auch voll und ganz auf die Ausgestaltung der Zwischentöne in der Partitur konzentrieren. Ein hohes Maß an Agogik sollte geboten sein, um der Musik einen natürlich nachempfundenen, undoktrinären Fluss zu geben. Allzu metronomisches Spiel würde diese Musik in ihrem Keim ersticken. Die eigentliche Herausforderung ist damit vielleicht ungewollt pädagogischer Natur: Weder Tastenakrobatik noch Geschwindigkeitsrausch, sondern einfach nur hinhören auf das eigene Tun! Tempobezeichnungen wie „Adagio“, „Lento“ oder „Molto moderato“ lassen da auf jeden Fall den nötigen (zeit­lichen) Spielraum.
Sollte dies den Organistinnen und Organisten gelingen, kann die Beschäftigung mit dieser so un­prätentiös daherkommenden Musik durchaus lehrreich für das eigene Tun sein und so manchen Leerlauf monotoner mechanischer Geläufigkeit in die Dunkelheit der Nacht verbannen.

Wolfgang Valerius