Werke von André De Vaere, Edgar Tinel, Joseph Callaerts, Herman Roelstraete, Flor Peeters und Camil Van Hulse

Flemish Organ Heritage

Ignace Michiels an der Klais-Orgel der Sint Salvatorskathedraal in Brügge (Belgien)

Verlag/Label: passacaille, PAS 1119 (2024)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2025/02 , Seite 63

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Der buchstäblich etwas großspurige Titel Flemish Organ Heritage wird im Booklet spezifiziert: „from 1884 till 1961“. Spontan fällt einem allenfalls Flor Peeters (1903–86) ein, der hier mit seinem Concert Piece op. 52a (1955) vertreten ist, vielleicht Joseph Callaerts (1830–1901), dessen Petit Fantaisie op. 22 Nr. 2 (1894) zu hören ist, und, wenn es hochkommt, noch Camil Van Hulse (1897–1988), von dem hier (meines Wissens als Welterst­einspielung) die Symphonia Mystica op. 53 (1953) erklingt. Bei André De Vaere (1890– 1914, Preludium en Fuga, Entstehungsjahr unbekannt), Edgar Tinel (1854–1912, Organ Sonata op. 29, 1884) und Herman Roelstraete (1925–85, Toccatella con Fughetta on „Salve Regina“ op. 28, 1961) musste ich passen.
Die drei zuerst genannten Komponisten waren bereits zusammen auf einer Orgel-CD vertreten: Bach Inspirations, gespielt von Peter Van de Velde (Aeolus 10661, erschienen 2019). Die drei anderen Namen waren „orgeltechnisch“ bis dato unbeschriebene Blätter. Ob dieses Album wirklich das „(Welt-)Erbe“ und „Best of the Best“ der flämischen Orgelwerke zwischen 1884 und 1961 versammelt, darf man anzweifeln, zumal dies immer Geschmackssache ist. Ganz ohne Zweifel handelt es sich aber um eine wichtige CD-Produktion, die den „Preis der deutschen Schallplattenkritik“ im Mai dieses Jahres zurecht gewonnen hat.
Herausragend ist das Album aus vielen Gründen. Zunächst begeis­tert (mich) das Konzept mit seiner Fokussierung auf einen – orgelmäßig bis dato kaum „erschlossenen“ – Kulturkreis (das heutige Belgien) und eine überschaubare Zeitspanne (1884–1961). Das Highlight des Albums ist sicherlich die Werkauswahl mit ihren vielen „unerhörten“ Entdeckungen, wobei Van Husles Symphonia Mystica – mit fünf Sätzen und rund 26 Spielminuten das längste Werk der CD – in meinen Ohren die spannendste Trouvaille ist, dicht gefolgt von Tinels dreisätziger, rund zwanzigminütiger Orgelsonate; man will ebenfalls nicht glauben, dass sie erst jetzt zum ers­ten Mal das diskografische Licht der Welt erblickt hat. Dass die CD zu all den vielen anderen positiven Überraschungen auch noch die wichtigsten (romantischen) Orgelmusik-Genres versammelt, ist ein weiteres Verdienst: Wir hören ein Präludium mit Fuge (und eine „Toccatella“ mit „Fughetta“), eine Fantasie, ein Konzertstück, eine Orgel-Sonate und eine Orgel-Sinfonie.
Last but not least begeistert mich das ebenso expressive wie differenzierte und farbenreiche Spiel des belgischen Organisten, Chorleiters und Orgellehrers Ignace Michiels, der hier an „seinem“ Instrument – der 1935 von der Firma Klais komplett umgebauten Orgel von Jacob van Eynde (1717–19) mit 60 Regis­tern auf drei Manualen in der St. Salvator-Kathedrale in Brügge – eine ganz exzellente Figur macht und „ohrenscheinlich“ ein echtes Heimspiel hat.
Fazit: Flemish Organ Heritage ist ein Orgel-Album, wie man es sich besser und stimmiger kaum hätte wünschen können.

Burkhard Schäfer

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