Johann Sebastian Bach

Finale der Matthäuspassion

Bearbeitet für Orgel von Harald Feller

Verlag/Label: Edition Walhall, EW1297
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2025/02 , Seite 56

Die große Herausforderung beim – manchmal kritisch beäugten – Trans­kribieren für die Orgel besteht wohl darin, sich möglichst nahe an der Urgestalt des Stücks zu orientieren und dem Spieler ohne zu viel Substanzverlust dennoch ein spielbares Ergebnis an die Hand zu geben. Den momentan sehr weit verbreiteten Bearbeitungen verschiedenster Filmmusikklassiker sind in dieser Auswahl bekannte Werke Mendelssohns und Bachs hinzugesellt. Unermüdlich muss man wohl arbeiten, um die großen Orchesterouvertüren Mendelssohns in eine Orgelfassung zu bringen. Martin Schmeding hat sich der Aufgabe gestellt und Ein Sommernachtstraum, Die Hebriden, Meeresstille und glückliche Fahrt sowie Die schöne Melusine bei Leupold Editions in einer 120-seitigen Ausgabe veröffentlicht. Er nimmt sich – wie dem Vorwort zu entnehmen ist – César Francks Ausspruch „Mon orgue, c’est un orchestre!“ zu Herzen und setzt das orchestrale Klangbild mit detaillierten Registriervorschlägen, kluger Manualverteilung und der spielprak­tischen Umformung orchestertypischer Figuren um.
Ebenfalls bei Leupold Editions erschienen, wieder Martin Schmeding als Bearbeiter, diesmal aber eine andere Herausforderung: Kein Orchestersatz, der zu reduzieren ist, keine orchestrale Registrierung zum Austüfteln – nein, beim Italienischen Konzert von Bach gilt es, den dichten Cembalo-Satz durch geschickte Verteilung um eine Pedalstimme zu erweitern. Eine nicht ganz einfache, aber sehr lohnenswerte Bereicherung des Repertoires um ein gern gehörtes Werk.
Bei dem nächsten Werk haben wir es nun mit einer Bearbeitung einer Bearbeitung zu tun. Nicht wenige Werke Antonio Vivaldis finden sich in einer eigenen Fassung von J. S. Bach, nun legt Martin Schmeding bei Butz das Konzert a-Moll BWV 1065 nach Vivaldis RV 580 vor. Bachs eigene Concerto-Bearbeitungen sind damit quasi um ein weiteres Stück bereichert. Für die Interpretation der Schmedingschen Editionen sollte man sich durchaus Zeit nehmen. Der Detailreichtum, die differenzierte Manualverteilung und alleine der Umfang der Werke erfordern eine gründ­liche Vorbereitung. Ein Tipp des Herausgebers: Oft lohne sich auch ein Blick in die Originalpartitur.
Charles-Marie Widor hat in seinem Bach’s Memento den Schluss­chor der Matthäus-Passion zum „Mattheus Final“ umgeformt. Ein beeindruckendes Tuttistück für eine französisch-romantische Orgel. Harald Feller war das noch nicht genug: Nach der Vorlage Widors, aber mit einer – der Bachschen Vorlage näheren – veränderten Bassstimme ergänzt er den Satz um weitere Stimmen, um einen „symphonischeren“ Klang zu erzeugen. Die letzten neun Takte sind komplett neu komponiert. Ein überraschendes, spannendes Ende, aber fehlt da nicht der ikonische Schluss mit dem charakteristischen c-Moll-Major-Akkord?
Den findet man ja wieder in der nächsten Publikation Mein teurer Heiland mit 18 Chören, Arien und Chorälen aus der Matthäus- und Johannes-Passion, bearbeitet von Johannes Schröder. In diesem vielfältigen Band sind vom „einfachen“ Choral – meist geschickt in zweimanualiger Spielweise gesetzt – über einzelne Arien bis hin zu den groß besetzten Chören repräsentativ beide Vertonungen vertreten. Sowohl vom Schwierigkeitsgrad als auch von den Einsatzmöglichkeiten her sind bei diesem Band recht wenige Grenzen gesetzt. Ein Großteil der enthaltenen Stücke lässt sich vom ambitionierten Laien gut umsetzen, die beigefügten Registriervorschläge unterstützen dabei sicherlich. Eine sinnvollere Reihung innerhalb des Bandes wäre durchaus wünschenswert.
Ob bei Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen oder im Konzert – an der „Air“ von Bach kommt man eigentlich nicht vorbei. Doch wie sieht es mit den weiteren Sätzen der dritten Orchestersuite BWV 1068 aus? Ähnlich ist es mit der zweiten Suite BWV 1067: Außer der „Badinerie“ hat man vielleicht nicht unbedingt alle Sätze im Ohr. Wolfgang Rübsam erschließt mit seiner vollständigen Bearbeitung beider Suiten das breite Spektrum der Orchestersuiten für die Orgel. Als versierter Interpret weiß Rübsam den Orchestersatz umsichtig und hervorragend an die Orgel angepasst umzusetzen.
Noch eine Version der „Ciaccona“ aus der Partita für Violine BWV 1004? Ja gern! Denn Pier Damiano Peretti hat dabei die Klangwelten und Tonumfänge der Orgeln aus dem Umfeld Bachs im Blick, nachdem die bekannten Versionen (Best, Middelschulte ect.) von der romantischen Orgel ausgehen. Durch die Transposition nach a-Moll lässt sich das Werk sehr gut auf historischen Instrumenten darstellen, ohne darauf beschränkt zu sein. Wie man es aus dem nord- und mitteldeutschen Barock kennt, sind Manualangaben mit R(ückpositiv) und O(berwerk), sowie einige vorsichtige Registrierhinweise beigefügt. Das Druckbild könnte etwas großzügiger sein, andererseits spart man sich die eine oder andere Blätterstelle.
Insgesamt hat man es mit sieben lohnenswerten Ausgaben mit nur ganz kleinen Schwächen zu tun. Fast alle Werke erfordern ein hohes Niveau des Interpreten, der Interpretin. Den Bearbeitungen dieser Publikumslieblinge ist eine weite Verbreitung zu wünschen. Mögen sie in den Reigen der großen Orchesterbearbeitungen aufgenommen werden.

Maximilian Pöllner

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