Franz Liszt
Faust-Symphonie – Transcription for Organ
Hansjörg Albrecht an der Klais-Orgel der Philharmonie im Gasteig, München
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Hansjörg Albrecht bezeichnet sich selbst gern als musikalischen Grenzgänger und Querdenker ohne Berührungsängste. Ein Grenzgänger ist er allemal, etwa als künstlerischer Leiter des Münchener Bach-Chors und Bach-Orchesters, aber ebenso als weltweit gefragter Dirigent renommierter Orchester. Und dazu genießt er noch einen exzellenten Ruf als virtuoser Konzertorganist mit ausgeprägt eigenständigem Profil, mit dem er vor allem auf dem Gebiet der Transkription immer wieder Beachtliches leistet.
Nun, man könnte zu Letzterem einwenden, dass es derzeit wohl (wieder einmal) eine ausgeprägte Mode ist, mitunter gar ein wahrer „Hype“, sich mit Transkriptionen für und auf der Orgel irgendwie hervorzutun – oder leider auch nur in mehr oder weniger populistischer Manier zu produzieren. Zumindest vermitteln verkrampfte Versuche mancher „Dutzend-OrganistInnen“ einen derartigen Eindruck, wobei schon bei der Auswahl der Bearbeitungsvorlage hinsichtlich des guten Geschmacks kaum mehr Berührungsängste zu existieren scheinen.
Hansjörg Albrecht geht hier gewiss konsequent andere Wege. Nicht „billiger“ Populismus treibt ihn an, vielmehr will er die Orgel jenseits des klerikal-verstaubten (Schatten-)Daseins als veritables Konzertinstrument eben und gerade auch im Konzertsaal etablieren – und das vor allem mit einer Musik, die per se einen hohen konzertanten Anspruch in sich trägt und die in der akustischen Transparenz großer Säle frei vom wohlfeilen „akustischen Nebel“ halliger Kirchen erst ihre wahre Brillanz entfaltet.
Mit Liszts Faust-Symphonie stellt sich der Bearbeiter und Interpret Albrecht nun selbst einem extrem hohen Anspruch, begibt er sich doch geradewegs in die Nachfolge des einst umjubelten und gefeierten Klavier-Genies, dem es laut zeitgenössischen Quellen mühelos gelang, selbst ganze Orchesterpartituren wortwörtlich, ohne auch nur eine Note auszulassen, spontan auf das Klavier zu übertragen.
Kurzum, Hansjörg Albrecht wird seinem eigenen Anspruch mehr als gerecht. Die vorliegende CD ist eine wahre Entdeckungsreise in Liszt’sche Gefilde. Knapp siebzig Minuten lang vermag Albrecht den Hörer zu fesseln, ihn teilhaben zu lassen an seiner unbändigen Musizierlust, an seinem Gespür für den Raum und die klanglichen Ressourcen des (nicht ganz unproblematischen) Instruments, aber auch – und das macht den besonderen Wert vorliegender Einspielung aus – eindringen zu lassen in die Tiefen der Partitur, quasi zwischen die Noten. Da geht es dann geradewegs in die Abgründe menschlichen Daseins hinab, aber ebenso auch hinauf auf die Anhöhen des Heroisch-Erhabenen.
Was hier in Tönen klingt, ist die gelungene Sprachsynthese zweier charismatischer Künstlerpersönlichkeiten: der des Komponisten und der es Interpreten respektive Bearbeiters, gleichsam „two in one“. Ob Schumann auch Albrecht wie einst Liszt „diese Kraft, ein Publikum sich zu unterwerfen“, attestieren würde? Und ganz nebenbei kann man sich mit der in Orchesterkonzerten eher selten zu hörenden Faust-Symphonie vertraut machen und dabei entdecken, dass Liszts Orgelstil ganz im Orchestralen wurzelt.
Wo wie hier musikalische Qualität und interpretatorisches Können stimmen, wird die Wahl der Orgel dann (fast!) schon zur Nebensache. Doch in diesem Fall macht die vielgescholtene Orgel der Philharmonie am Gasteig insgesamt bella figura. Man muss mit diesen Instrumenten, die zeitbedingt ein durchaus eigenes, klanglich vielleicht eher sperriges Profil besitzen, als Interpret (und dann ebenso als Hörer) unvoreingenommen umgehen können, ihre Stärken erkennen und herausarbeiten können, um sie dann in den Dienst der Musik selbst zu stellen. Genau das ist Hansjörg Albrecht mit dieser beim Münchener Klassiklabel Oehms erschienenen Aufnahme großartig gelungen.
Wolfgang Valerius