Christian Heinrich Rinck

Fantasie und Fuge

hg. von Tobias Zuleger

Verlag/Label: Dr. J. Butz BU 2961
erschienen in: organ – Journal für die Orgel 2020/02 , Seite 62

Erfreulicherweise erfährt der zu seinen Lebzeiten hochgeachtete Komponist, Orgelvirtuose und Herausgeber einer viel beachteten Orgelschule sowie des Choralfreund, einer Sammlung von protestantischen Melodien für den Gottesdienst,
Johann Christian Heinrich Rinck (1770–1846), in letzter Zeit eine gewisse „Renaissance“, nehmen sich doch diverse Verlage der Publikation seines Orgelwerks verstärkt an.
Zwar ist sein Flötenkonzert aus op. 55 ein relativ oft gespieltes und beliebtes konzertantes Repertoire- und „Kabinett-Stückchen“, aber gerade seine Sammlungen von kürzeren Stücken wie 24 leichte Präludien op. 74, Trios durch alle 24 Tonarten op. 20 oder 18 leichte Orgelstücke op. 106 sowie etliche andere seiner Werke eignen sich wegen ihrer Kürze und relativ leichten Spielbarkeit gut für liturgische Zwecke.
Im selben Jahr geboren wie Ludwig van Beethoven, um dessen Allgegenwärtigkeit man sich, nicht nur im Beethoven-Jahr 2020, ja keine Sorgen zu machen braucht, ist es sicherlich von Interesse, dass der Schott-Verlag wegen der damaligen Popularität Rincks diesen mit der Erstellung des ersten Klavierauszugs der Missa solemnis betraute.
Anlässlich des 250. Geburtstags des „Rheinischen Bach“, wie Rinck auch genannt wurde, hat nun der Butz-Verlag kürzlich mit Fantasie und Fuge erstmals ein Werk veröffentlicht, welches mit seinen fast 300 Takten Umfang zu Rincks längsten Orgelwerken gezählt werden kann. Das in Es-Dur stehende Opus beginnt mit einer Fantasie mit punktierten Rhythmen im Stil einer französischen Ouvertüre, durchflochten von gebrochenen Akkordketten und lyrischen, bisweilen an Mozartische Themen erinnernden Teilen. Als einstiger Elève des Bach-Schülers Johann Christian Kittel war Rinck mit kontrapunktischer Setzweise früh vertraut und gelangt hier in der sich an den Halbschluss der Fantasie anschließenden Fuge zu einer reizvollen Synthese von Polyphonie mit kompositorischen Elementen der Klassik und frühen Romantik. Der Pedalgebrauch, der ab der Mitte des 18. Jahrhunderts „außer Mode“ kam, ist permanent vorhanden, technisch allerdings nicht allzu schwierig zu bewerkstelligen und kann bis auf wenige Stellen in his­torischem Sinne fast ausschließlich mit Spitze bewältigt werden.
Rinck war mit der musikalischen Substanz seines wohl recht früh komponierten Opus offenbar zufrieden, denn er hat Teile des Werks in späteren Stücken in mehr oder weniger variierter Form wieder aufgegriffen. Aber auch in seiner „Urgestalt“ ist das Satzpaar durchaus eigenständig und hörenswert.
Der gut lesbaren Notenausgabe hat der Herausgeber Tobias Zuleger dankenswerterweise einen kritischen Bericht beigegeben.
Insgesamt handelt es sich hier um ein nicht allzu schwieriges, aber wirkungsvolles Stück „Unterhaltungsmusik“ im besten Sinne, die nicht nur einen Einblick in Rincks „päda­gogische“, sondern auch konzertante Orgel-Praxis gewährt.

Christian von Blohn